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Die Wechseljahre und ihre psychosozialen Folgen

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Viele Ursachen, vor allem auch mangelhafte Vorbereitung durch die Mutter?

Etwa jede zehnte Frau steht in den Wechseljahren. Dreiviertel davon sind während dieser Menopause seelischen, psychosozialen und körperlichen Befindensschwankungen oder gar Beschwerden ausgesetzt. Dabei unterscheidet man das sogenannte perimenopausale dysphorische Syndrom und die perimenopausale Depression.

Was versteht man darunter und vor allem, was kann man therapeutisch tun - falls die Beeinträchtigungen nicht mehr ertragbar sind?

Nachfolgend eine kurzgefasste Übersicht zu Beschwerdebild, Ursachen sowie therapeutischen Möglichkeiten, vor allem auf psychologischem Gebiet und hier insbesondere in eigener Initiative. Dabei kommt der rechtzeitigen Vorbereitung eine viel größere Rolle zu, als bisher offenbar praktiziert. Gerade dies sollte anders werden - im Interesse der kommenden Generationen.

Es mag überraschend klingen und erst einmal mit Erstaunen aufgenommen werden, aber die Wechseljahre oder das Klimakterium der Frau sind auch ein Phänomen unserer Zeit und Gesellschaft Denn im Gegensatz zu nicht wenigen asiatischen, afrikanischen und arabischen Kulturen wird der Frau in der westlichen Welt letztlich nur in jungen Jahren ein erstrebenswertes Image zugestanden. Im mittleren oder gar Rückbildungsalter ist man sich da nicht mehr so sicher. Das betrifft vor allem die Wechseljahre.

So ist die Menopause, wie diese Zeit auch genannt wird, zwar überall biologisch verursacht und sicher auch in allen Kulturen nicht ohne körperliche Folgen. Doch die nicht unerheblichen seelischen und besonders psychosozialen Konsequenzen häufen sich offenbar bei uns.

Das liegt nicht zuletzt daran, dass das Bild einer beispielsweise 50-jährigen Frau für junge Leute scheinbar wenig Anziehendes hat - früher wie heute. Und dies sonderbarerweise im Gegensatz zum Mann gleichen Alters, der sich hier sogar noch in den "besten Jahren" wähnen darf (Einzelheiten zum "Klimakterium des Mannes" siehe später). Da aber das werbepsychologisch aufgezwungene Ideal unserer Zeit die Jugend ist, die mit allen Mitteln verlängert werden soll, hat die Frau in der "Mitte Ihres Lebens" schon psychologisch einen schweren Stand.

So kommt eines zum anderen, nämlich die biologischen und eigentlich physiologischen, d.h. normalen Funktionsabläufe sowie die psychologischen Belastungen, die aus der entsprechenden gesellschaftlichen Einstellung erwachsen - und beides zusammen oft doppelt beschwerlich.

Nachfolgend deshalb eine kurz gefasste Übersicht zum Thema: Wechseljahre und psychosoziale Folgen. Eine ausführliche Darstellung findet sich in dieser Internet-Serie unter der Sparte Psychiatrie heute und dem Kapitel Klimakterium und psychosoziale Folgen.

Wie häufig sind klimakterische Beschwerden?

Etwa jede zehnte Frau steht in den Wechseljahren. Dreiviertel davon sind während dieser Menopause seelischen, psychosozialen und körperlichen Befindensschwankungen oder Beschwerden unterschiedlicher Intensität ausgesetzt. Was belastet am häufigsten?

Das Beschwerdebild: körperlich, seelisch, psychosozial

- Unter den körperlichen Beeinträchtigungen stehen an erster Stelle Hitzewallungen und kalte Schweißausbrüche. Beide äußern sich meist nachts und verstärken dadurch die Schlafstörungen, ein Leiden, das ohnehin das weibliche Geschlecht ab dieser Zeit noch häufiger betrifft als sonst.

Daneben belasten Kopf- und Gelenkschmerzen, Herzklopfen, Schwindelgefühle, Atemenge u.a. Auch in sexueller Hinsicht kann es Probleme geben, vor allem eine nachlassende Libido (sexuelle Lust und damit auch Aktivität).

- Neben diesen in der Tat überaus lästigen körperlichen Symptomen gilt es aber auch in vielen Fällen seelische und geistige Beeinträchtigungen durchzustehen: Das sind zum einen eine ausgeprägte Gemütslabilität mit vermehrter Weinerlichkeit , ferner länger anhaltende traurige Verstimmungen, verstärkte Ängstlichkeit bis längere Angstzustände und vor allem - zahlenmäßig wahrscheinlich am häufigsten - eine vermehrte innere Unruhe, Anspannung, Nervosität, ja Reizbarkeit bis (unterschwellige) Aggressivität. Zermürbend ist auch eine rasche körperliche oder treffender: seelisch-körperliche Erschöpfbarkeit bzw. länger anhaltende Mattigkeit.

Sehr beeinträchtigend sind in geistiger Hinsicht auch Merk- und Konzentrationsstörung bis hin zur peinlichen Vergesslichkeit und eine zunehmende Interesselosigkeit.

- Nicht zu unterschätzen sind aber die psychosozialen Belastungen: Meist sind sie zwar vorhersehbar, in der Mehrzahl der Fälle sogar erwünscht, pflegen aber trotzdem das Leben nachhaltig zu verändern, die Lebensfreude zu trüben und vor zahlreichen Schwierigkeiten und vor allem Entscheidungen zu stellen:

Dazu gehört nicht zuletzt das sogenannte "Leere-Nest-Syndrom", d.h. nach und nach verlassen auch die jüngsten Kinder das Haus. Dafür droht ggf. die Pflegebedürftigkeit der Eltern oder Schwiegereltern mit stress-intensiven, oft langfristigen Aufgaben, die zudem - üblicherweise - in keiner Weise gewürdigt werden.

In Einzelfällen kann es auch zu einer Entfremdung der Partner kommen, vielleicht sogar zu Trennungs- und Scheidungsüberlegungen, was wiederum mit so manchen seelischen und vor allem körperlichen Folgen zusammenhängt. Dazu gehört z. B. die subjektive (oft gar nicht zutreffende) Meinung, man habe an Attraktivität eingebüßt, sei durch den Verlust der Fertilität (Fruchtbarkeit) nicht mehr "vollwertig", sexuell nicht mehr begehrlich u.a. Vielleicht gilt es auch das Berufsleben neu zu strukturieren, z. B. von der reinen Hausfrau oder Hausfrau-Halbtagsaufgabe zurück in die volle Berufstätigkeit - oder jetzt ausschließlich "zu Hause". Und oft drängen sich jetzt auch lebens-philosophische Fragen auf, vor allem die "Endlichkeit der eigenen Existenz", wenn nicht gar der Gedanke, man müsse sich langsam auch einmal mit dem Tod beschäftigen ("die Sanduhr rinnt").

Gibt es ein männliches Klimakterium?

Natürlich gibt es auch "Wechseljahre des Mannes" (Fachausdruck: Climakterium virile). Auch hier handelt es sich um eine biologische Ursache, nämlich die Abnahme der Testosteron-Produktion, also der männlichen Sexualhormone. Dies allerdings meist langsamer als bei der Frau. Deshalb kommt es auch seltener und weniger ausgeprägt zu klimakterischen Beschwerden.

Entsprechende Symptome, die ebenfalls um das 50. Lebensjahr beginnen können, sind aber auch hier Hitzewallungen, Schweißausbrüche, Schlafstörungen, depressive Verstimmungen, Angstzustände und natürlich der Rückgang von geistiger und körperlicher Leistungsfähigkeit sowie von Libido und Potenz.

Allerdings spielt das Klimakterium des Mannes bezüglich Häufigkeit und Intensität keine so bedeutsame Rolle. Dies hat nicht nur organische, sondern auch psychologische und damit gesellschaftliche Hintergründe. Denn wenn man sich - laut "allgemeiner Meinung" - in den sogenannten "besten Jahren" befinden soll, dann lassen sich auch die seelischen, geistigen und körperlichen Beeinträchtigungen und vor allem die psychosozialen Folgen mit der Gefahr eines Teufelskreises besser überstehen.

Das ist nebenbei ein Aspekt, der auch in die Therapie des "weiblichen Klimakteriums" Eingang finden sollte (siehe später).

Welche Gemütserkrankungen gibt es im Klimakterium?

Die meisten Frauen kommen mit diesen seelischen und körperlichen Beeinträchtigungen und ihren psychosozialen Konsequenzen befriedigend zurecht. Es gibt aber auch ernstere Krankheitszustände, die man heute in zwei große Gruppen unterteilt:

1. Das sogenannte perimenopausale dysphorische Syndrom
2. die perimenopausale Depression

Was versteht man darunter?

· Unter einem perimenopausalen dysphorischen Syndrom versteht man ein durch hormonelle Veränderungen ausgelöstes Zustandsbild, das die bereits erwähnten Symptome (in abnehmender Häufigkeit) einschließt:

Erhöhte Reizbarkeit, Weinerlichkeit, Angstzustände, Gemütslabilität, traurige Verstimmungen, Merk- und Konzentrationsstörungen, Interesselosigkeit, rasche Erschöpfbarkeit, Schlafstörungen und nachlassende Libido.

· Davon abzugrenzen ist nach Meinung mancher Fachleute die sogenannte perimenopausale Depression. Hier herrschen offenbar andere Bedingungen, und zwar sowohl nach Ursache als auch Schweregrad des Leidens:

So finden sich nicht nur eindeutige Depressions-Symptome, also traurige Verstimmung, Niedergeschlagenheit, Resignation und Gemütslabilität, sondern auch eine ausgeprägte seelische und körperliche "Herabgestimmtheit", ferner Freudlosigkeit, Hoffnungslosigkeit, Entscheidungsunfähigkeit, Gedankenkreisen und Grübelsucht, oft auch Antriebsarmut, Willens- und Denkhemmung, schließlich Selbstvorwürfe, ja Lebensüberdruss u.a.

Und eine Vielzahl körperlicher oder treffender: psychosomatischer Beschwerden im Bereich von Kopf, Herz-Kreislauf, Atmung, Magen-Darm, Wirbelsäule und Gelenken, vegetativen Funktionen u.a.

Dabei scheint sich folgende Erkenntnis durchzusetzen:

Je länger die Wechseljahre andauern, desto wahrscheinlicher bildet sich eine entsprechende Beeinträchtigung aus, insbesondere in Richtung depressiver Verstimmungszustand.

Was kann man medikamentös tun?

In therapeutischer, vor allem medikamentöser Hinsicht gilt es als erstes zu unterscheiden zwischen dem meist leichteren perimenopausalen dysphorischen Syndrom und der schwereren Depression in diesem Lebensabschnitt. Danach bieten sich in Zusammenarbeit mit den zuständigen Ärzten (Allgemeinmedizin bzw. Hausarzt, Gynäkologie und Psychiatrie) folgende Behandlungsstrategien an:

1. eine Hormon-Substitutionstherapie (also Ersatz der langsam auslaufenden weiblichen Sexualhormone)
2. eine medikamentöse Therapie mit in der Regel antidepressiven Psychopharmaka
3. eine kombinierte Behandlung aus Antidepressiva und entsprechenden Hormonen.

Einzelheiten dazu siehe die Internet-Serie Psychiatrie heute mit dem Kapitel Klimakterium und psychosoziale Folgen bzw. die entsprechende Fachliteratur.

Was kann man psychologisch tun?

Zu den sogenannten nicht-medikamentösen Behandlungsvorschlägen bei einem solchen Menopausen-Syndrom gehören eine Reihe von Empfehlungen, die auf den ersten Blick nicht sonderlich eindrucksvoll wirken. Das geht aber meist darauf zurück, dass hier nicht nur Medikamente geschluckt werden sollen, sondern eine entsprechende Eigen-Initiative gefordert ist. Und dies wird gerne dadurch unterlaufen, dass man solche Empfehlungen nicht ernst nimmt oder gar lächerlich macht. Das ist allerdings eine "selbst-gewählte Sackgasse", das sollte man sich gut überlegen.

Was kann also durchaus sinnvoll sein, wenn man es konsequent nutzt?

  • Beispielsweise das Führen eines Symptom-Kalenders, um sich über Art, Häufigkeit und Intensität seines "Leidens" ein genaues Bild zu machen (und damit auch den Arzt in seiner Therapie gezielter zu unterstützen).
  • Dann maßvolles körperliches Training, z. B. der tägliche Gesundmarsch bei Tageslicht, nicht unter einer halben Stunde, da seelisch-körperlich kräftigend, ja angstlösend und antidepressiv (sehr modern geworden und sehr effektiv: nordic-walking mit zwei Teleskop-Wanderstöcken). Dazu ggf. Gymnastik- und Tanzgruppen, Wander- und Sportvereine nutzen.
  • In ernährungswissenschaftlicher Hinsicht wenig Salz, Schokolade, Koffein und Alkohol und natürlich kein Nikotin.
  • Zur Stressreduktion entsprechende Entspannungsverfahren wie autogenes Training, Yoga und Progressive Muskelrelaxation.
  • Nicht zu vergessen die Nutzung von Bildungsangeboten über das hinaus, was bisher möglich war oder interessiert hat ("neues beim Aufbruch zu Neuen Ufern").
  • Zur sogenannten Psychoedukation gehören auch psychohygienische Selbsthilfen durch Broschüren, Bücher, Vorträge und Diskussionen. Notfalls auch entsprechende Selbsthilfegruppen, soweit verfügbar. Für viele hilfreich, auch zur eigenen Stabilisierung, ist der Einsatz in caritativen Einrichtungen ("Bürgerhilfe").
  • Und wenn das alles nicht ausreicht, dann bietet sich zur Krisenintervention oder kurz- bis mittelfristigen psychotherapeutischen Stützung eine Gesprächspsychotherapie an (ggf. auch tiefenpsychologisch oder verhaltenstherapeutisch orientiert, je nach Bedarf und vor allem Angebot).

Und was man nicht vergessen sollte: rechtzeitige Vorbereitung für die Tochter

Ein weiterer, kaum beachteter, aber bedeutsamer Faktor ist die mangelhafte Vorbereitung auf diesen wahrhaftig nicht unwichtigen Teil des Lebens, der ab den Wechseljahren beginnt:

In der Tat wird die Frau in unserer Gesellschaft nicht auf diesen Lebensabschnitt vorbereitet, jedenfalls nicht grundsätzlich, ausreichend und hilfreich. Alles zielt auf die Ausbildung in Beruf, Haushalt und vor allem Mutterschaft ab. Leider bleibt dabei offenbar nicht viel übrig für den wichtigsten Abschnitt im Leben der reifen Frau, in der sowohl biologische, als auch psychologische, vor allem aber partnerschaftliche, familiäre und oft auch berufliche Änderungen von einschneidender Bedeutung zusammenfallen.

Damit - so glaubt man offenbar - müsse jede Frau selber fertig werden, sie sei ja nun "erwachsen genug". Dabei wird gerne die alte Erkenntnis vergessen: Lernen und vorbereiten kann man sich am besten zuvor. Nicht oder nur unzureichend hingegen in der kritischen Phase selber, was ja viel Zeit, Kraft und Reserven kostet.

Deshalb ist es sinnvoll, möglichst früh auf die Wechseljahre bewusst hinzuleben. Diese Zeit darf nicht als Verlust von Jugend ("Höhepunkt des Lebens"), von Attraktivität, geistiger, körperlicher, vor allem aber sexueller Leistungsfähigkeit abgewertet werden. Denn sonst droht die Minderung oder gar der Zusammenbruch des Selbstwertgefühls.

Nach den Wechseljahren beginnt noch ein volles Drittel des Lebens. Und sicher nicht das Schlechteste, wenn man seine Vorteile zu nutzen versteht. Darauf aber sollte man zuvor hingewiesen, eingeübt und begleitet werden. Das ist eine sogenannte "Bring-Schuld" der Generation in der Mitte des Lebens an die Jugend, die dieser Aufgabe nur gerecht werden kann, wenn sie zuvor selber darauf eingestimmt wurde.

(Prof. Dr. med. Volker Faust)

Bei allen Ausführungen handelt es sich um allgemeine Hinweise.
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