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DAS ERFAHRUNGSPOTENTIAL DES ÄLTEREN MITARBEITERS NUTZEN

Und zwar nicht nur aus humanitären, sondern auch aus wirtschaftlichen Gründen

Jungsein ist "in". Wer "älter" ist, und das rückt bereits in Richtung "beste Lebensjahre" vor, tut sich immer schwerer. Aber nicht weil seine Leistung nachlässt, sondern weil der "Jugendwahn" auch die psychologische Strategie der Personalentwicklung zu vernebeln droht. Das könnte den Unternehmen noch teuer zu stehen kommen, befürchten die Wirtschaftswissenschaftler. Deshalb beginnt man langsam umzudenken.

Doch bis dahin wird noch viel wertvolle Zeit verloren gehen - und damit unersetzliches Wissen und vor allem die alles entscheidende Motivation. Die Verluste der Wirtschaft gehen in die Milliarden. Wenigstens hat das zur Folge, dass man langsam nachzudenken und die notwendige Weichenstellungen einzuleiten beginnt. Denn heutzutage macht es nur noch der wirtschaftliche Druck; humanitäre Aspekte sind nur noch auf dem Papier oder bei Festreden ein relevanter Faktor.

Die Älteren sind einfach nicht mehr so belastbar...

Aber ist es nicht so, dass die Kostenexplosion im Gesundheitswesen vor allem auf die gestiegene Lebenserwartung zurückgeht? Und damit auf die zahlreichen Krankheiten der älteren Generation? Das erfasst inzwischen sogar (oder vor allem?) den seelischen Bereich: Depressionen, Angststörungen, Demenz, neurotische, somatoforme und Belastungsstörungen, Verhaltens- und emotionale Störungen, und immer mehr entgleiste Selbstbehandlungsversuche (die Medikamentenabhängigkeit z.B. konzentriert sich vor allem auf das höhere Lebensalter und hier besonders auf das weibliche Geschlecht).

Doch die Wirklichkeit sieht - wie so oft, wenn man auch wirklich alle Aspekte einbezieht - anders aus. Unsere Bevölkerung wird nicht dauernd kränker, wenn man das proportional zum Alter sieht. Untersuchungen in den angelsächsischen Nationen zeigen, dass die Zahl der "gesunden Jahre" während des gesamten Lebens eher ansteigt. Mit zunehmender Lebenserwartung setzt die Phase der Krankheiten zwar letztlich unaufschiebbar ein, aber deutlich später als früher. Und sie konzentriert sich einfach auf die wenigen Jahre vor dem - hinausgeschobenen - Tod. Das heißt, uns fallen besonders alte und zugleich kranke Menschen auf. Und vor allem sehen wir immer mehr schwer hilfsbedürftige alte Menschen. Das prägt natürlich unseren Gesamteindruck. Was wir jedoch nicht sehen, dass sind Millionen von älteren Männern und vor allem Frauen, die nicht nur viel älter als ihre Vorfahren werden, sondern auch noch erstaunlich lange "gesund" und rüstig bleiben dürfen.

Natürlich ist "gesund" ein relativer Begriff.

Gesund ist schlecht untersucht... (alter Medizinerspruch).

Und wenn man den für unsere Zeit so typischen "Jugendwahn" als Vergleich heranzieht, dann haben ältere Menschen durchaus viele kleine und vor allem mittelschwere Beschwerden und Leiden. Doch bei optimistischer und konstruktiver Einstellung mindert das nicht ihre Lebensqualität und führt schon gar nicht zu erhöhtem Leidensdruck. Realistisch sein, heißt eben auch zu akzeptieren, dass jede Lebensphase ihren Preis hat. Wer jung sterben muss, z.B. durch einen Unfall, kennt wahrscheinlich nur wenige Krankheiten. Ein halbes Jahrhundert später sieht das schon ganz anders aus. Doch deshalb muß sich der Betreffende noch nicht als krank im negativen Sinne erleben. Das ist nicht zuletzt eine Frage der positiven Einstellung zu Leben, Leid und Leiden.

Sinnvolle Beschäftigung hält Altersleiden auf Distanz

Damit wird deutlich: Krankheiten sind zwar der Preis des Älterwerdens. Aber sie sind statistisch offenbar seltener und vor allem sie verschieben sich immer mehr ins hohe Lebensalter (man unterscheidet mittleres Lebensalter: 50 bis 64, höheres Lebensalter: 65 bis 74 und hohes Lebensalter ab 75 Jahren).

Es gibt aber noch einen weiteren Faktor, der die Krankheitsanfälligkeit zu reduzieren vermag: Arbeit oder zumindest sinnvolle Beschäftigung. Und dieser Punkt gibt nun wirklich zur Sorge Anlass. Denn wenn die sinnstiftenden Tätigkeiten wegbrechen, die bisher den Tagesablauf prägten, dann droht tatsächlich die Gefahr, seinen Leiden hilflos ausgeliefert zu sein.

Natürlich gibt es Menschen, die können sich auch ohne beruflichen Rahmen ausreichend beschäftigen. Und sie bekräftigen das auch immer wieder (manchmal so nachhaltig, dass man glaubt, sie müssten es sich selber immer wieder beweisen). Doch die Mehrzahl hat ihr ganzes Leben lang gearbeitet. Und sie täte besser daran, sie könnte alters- und damit leistungs-angepasst "ausschleichen", als plötzlich völlig aus dem Berufsleben herausgenommen zu werden (von der vorzeitigen "Freisetzung" ganz zu schweigen).

Und was sagen die Experten, also die Geriater, Gerontopsychiater, Arbeitspsychologen und Wirtschaftswissenschaftler dazu? Nachfolgend einige Aspekte, die sich die Verantwortlichen merken sollten - und zwar nicht aus humanitären, sondern aus betriebswirtschaftlichen Gründen:

Was haben Ältere Jüngeren voraus?

- Neuere Untersuchungen weisen darauf hin, dass ältere Mitarbeiter den jüngeren Kollegen einige Kompetenzen voraushaben: ausgeprägte Urteilsfähigkeit, größere Souveränität im Umgang mit komplexen Sachverhalten, geringere Belastung durch private Probleme, realistischere Selbsteinschätzung sowie ausgeprägterer Sinn für das Machbare. Im technischen Bereich mag Jungsein von Vorteil sein, im sozialen Bereich überwiegen die Fähigkeiten der Älteren. Stichwort: emotionale Intelligenz.

- In Funktionen, die auf Wissen, Erfahrung und rationelle Umsetzung beruhen, erreichen die MitarbeiterInnen ihr Leistungsmaximum erst im 5. Lebensjahrzehnt. Kreativität, Agilität und Innovationsfähigkeit unterliegen auch im "dritten Lebensalter" keinem wesentlichen Verfall. Voraussetzung ist dafür allerdings eine gezielte Personalentwicklung (siehe unten).

Erfahrung ist vor allem eine Frage der Zeit

- Junge Mitarbeiter sind zwar oft hoch motiviert, doch fehlt es ihnen für so manche Einsätze einfach an Erfahrung. Erfahrung ist nicht zuletzt eine Frage der Zeit. Erfahrung kann man nicht nur im PC speichern. Ein Computer ist nur so klug, wie das, was man ihm eingibt. Und in der Klärung komplexer Sachverhalte ist er dem menschlichen Gehirn noch immer weit unterlegen. Erfahrung ist etwas anderes als eine Festplatte.

- Außerdem werden junge Leute von so manchen Geschäftspartnern nicht voll akzeptiert - auch wenn man sie das nicht merken lässt. Man kann sich einfach nicht vorstellen, dass er das alles schon einmal gesehen und vor allem bewältigt haben soll. In bestimmten Kulturen, z.B. auf den expandierenden asiatischen Märkten, in denen man zwischenmenschlich ohnehin dauernd mit Überraschungen rechnen muss, genießt nur das Alter und seine Erfahrung entsprechendes Ansehen und damit Vertrauen. Westliche Nationen sind hier zwar anderer Meinung, sollten aber zumindest im Kontakt mit ihren fernöstlichen Kunden rechtzeitig umdenken.

- Die meisten Betriebe machen einen grundlegenden Fehler: Während jüngere Mitarbeiter durch ständige Lern- und Motivationsprozesse dauernd zu Höchstleistungen angespornt werden, bricht die Weiterbildung in der Regel ab, wenn der Mitarbeiter sich intern für eine Position als Fach- oder Führungskraft qualifiziert hat, d.h. wenn er älter geworden ist. Fehlende Personalentwicklung ist aber eine wichtige Ursache für die angeblich nachlassende Leistungsfähigkeit älterer Mitarbeiter, die sich spätestens ab 40 vielerorts selber überlassen bleiben.

Die Folgen...

Die Folgen einer derart jugend-zentrierten Personalentwicklung kommen den Unternehmen teuer zu stehen, auch wenn sie es lange nicht merken. Denn die vorhandenen Qualifikationen veralten, fehlendes Training lässt die Lernfähigkeit verkümmern und provoziert Resignation oder die Erstarrung in Routine, Gewohnheiten und Ritualen (die ohnehin etwa 20 % der Aktivitäten in den Führungsetagen ausmachen sollen, aber natürlich nicht zur Wertschöpfung beitragen). Daraus resultiert dann jenes Negativ-Image, das den Älteren angelastet wird, obgleich es die Folge falscher Personalpolitik ist.

Mit anderen Worten: Auch die Älteren, also die derzeitigen Fach- und Führungskräfte brauchen eine ständige Fortbildung.

Was tun?

Deshalb sollen ältere MitarbeiterInnen nicht in Richtung "Elefantenfriedhof" abgeschoben werden, nämlich mit Maßnahmen, die nach Altenförderung oder Schonung aussehen. Nein, sie sollten aus der Linien-Verantwortung in die Rolle eines Coachs oder Beraters wechseln, um ihr unwiederbringliches Know how in altersgemischten Teams einzubringen.

Tatsächlich zeichnet sich hier ein neuer Trend ab, und zwar schon in der Fachliteratur. Die Überlegung, den älteren Mitarbeiter und sein geistiges Leistungspotential zu nutzen, schlägt sich interessanterweise auch in der Weiter- und Fortbildung nieder. Denn: Ob mit dem guten alten Buch oder Fachartikel oder mittels elektronischer Medien, irgendwo und irgendwie muss man sich ständig auf dem laufenden halten. Und die Fachliteratur boomt wie noch nie.

Doch eine kritische Übersicht sorgt für Ernüchterung: Neue Modebegriffe sind oftmals das Einzige, was neu ist. So gibt es jedes halbe Jahr Dutzende von neuen Management-Büchern, die mit nichts anderem locken als mit neuen und vor allem ungewöhnlichen Fachbegriffen. Dabei wird jedoch bald deutlich: "Nichts als neuer Wein in alten Schläuchen".

Doch was ist plötzlich "in"? Es sind die Biographien, also Lebensaufzeichnungen alter, längst im Ruhestand lebender Manager, die aus ihrem Berufsleben erzählen - und zwar einschließlich Fehler, Misserfolge, Niederlagen usw. Dadurch - so das einhellige Urteil - lernt man am meisten: "zurück zu den Wurzeln!"

Das sollte uns auch im "modernen" Alltag lehren, das Wissen der älteren Generation zu nutzen, nicht (nur) aus humanitären Gründen, sondern aus betriebswirtschaftlichem Kalkül.

Und für die Betroffenen selber gilt der Satz des griechischen Staatsmanns und Philosophen Solon von Athen, einer der sieben Weisen des Altertums:

Ich altere wohl, doch täglich lerne ich etwas dazu.

(Prof. Dr. med. Volker Faust)

Bei allen Ausführungen handelt es sich um allgemeine Hinweise.
Bei persönlichen Anliegen fragen Sie bitte Ihren Arzt.
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