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BLITZSCHLAG UND SEELISCHE FOLGEN

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Er ist selten, aber dann vernichtend, der Blitz-Einschlag in einen Menschen. Einen solchen Hochspannungs-Unfall überlebt niemand – meint man. Tatsächlich sind die körperlichen Folgen schwer, Wiederbelebungs-Versuche aber auch überraschend häufig erfolgreich.

Dass man jedoch auch seelische Reaktionen hinnehmen muss, bedarf eigentlich keiner Diskussion. Dabei sollte man allerdings zwischen phobischen Ängsten (z. B. durch Gewitter, Donner und Blitzschlag) und einem realen Blitz-Unfall unterscheiden. Das eine ist eine krankhafte Furcht ohne Grund, das andere hat eine nachvollziehbare Ursache, bei der jeder berechtigte Ängste hat.

Um was handelt es sich? Nachfolgend eine kurz gefasste Übersicht zu diesem öfter sorgenvoll durchdachten, in Wirklichkeit aber glücklicherweise seltenen „Natur-Ereignis“ von extremer Auswirkung.

Wer hat nicht schon einmal sorgenvoll zum Himmel geblickt, als er im Freien von einem kräftigen Gewitter mit Blitz und Donner überrascht wurde. Donner ist lästig, Blitz aber gefährlich. Deshalb gibt es zu diesem Natur-Phänomen eine nicht mehr überblickbare Literatur, auch in wissenschaftlicher Hinsicht: wer – was – wo – wie – und vor allem mit welchen körperlichen Folgen.

Das soll hier nicht das Thema sein. Dafür interessiert im Rahmen dieser Serie eine andere Frage, nämlich: Hat ein Blitz-Unfall auch seelische Folgen? Zuerst aber eine kurze Übersicht, wie sie die Ärzte Drs. F. Zack, M. A. Rothschild und R. Wegener vom Institut für Rechtsmedizin der Universität Rostock im Deutschen Ärzteblatt 104/2007 knapp und doch anschaulich schildern. Sie schreiben:

„Blitz-Unfälle sind im Gegensatz zu anderen Hochspannungs-Unfällen durch eine extrem hohe Stromstärke und eine sehr kurze Expositions-Dauer charakterisiert. Das Schädigungs-Problem sind also die elektrische Energie, die hohe Temperatur und/oder die explosive Kraft der Druckwelle“.

Denn bei einem Gewitter können zwischen Wolken und Erdoberfläche Spannungen von mehr als hundert Millionen Volt auftreten. Die Blitz-Entladung dauert zwar nur etwa 0,02 Sekunden, geht aber mit Stromstärken bis zu einigen Hunderttausend Ampère einher. Dabei erhitzt sich die Luft im Blitzkanal bis auf 25 bis 30 000 Grad Celsius (und dehnt sich dann explosionsartig als Donner aus). Das sind natürlich gigantische Dimensionen. Die Folgen in der Natur (z. B. zerspaltene Bäume), an Gebäuden und technischem Gerät sind bekannt. Kein Wunder, dass sich hier ein „kleines Menschlein“ kaum realistische (Überlebens-) Chancen ausrechnen darf.

Ein Wunder ist es aber trotzdem, denn Blitz-Unfälle mit Todesfolgen ereignen sich relativ selten, trösten die Experten. Vor einem halben Jahrhundert traf es in Deutschland „nur“ 50 bis 100 Menschen pro Jahr (jeder zu viel, aber doch schon damals überraschend selten, wenn man sich die Zahl und vor allem verheerende Kraft eines Blitz-Einschlags vor Augen hält). Inzwischen aber sind es nur noch etwa 10% davon, sprich 3 bis 7 Sterbefälle pro Jahr.

Das kann sich allerdings ständig ändern, vor allem, wenn der Blitz in eine Menschen-Ansammlung einschlägt (z. B. Fußballplätze oder sonstige (Sport-) Arenen). Was geschieht konkret?

Das größte Problem ist die gewaltige Energie-Übertragung. Das ist auf verschiedene Weise möglich:

1.Der direkte Treffer, der Schädigungsweg mit dem größten Gefährdungs-Potenzial.

2.Ein so genannter Kontakt-Effekt, d. h. der Blitz schlägt in ein Objekt ein, das sich in direktem Kontakt zum Opfer befindet.

3.Der Überschlags-Effekt, d. h. der Blitz schlägt in ein Objekt in der Nähe ein, z. B. in einen Baum, wodurch immer noch ein Teil der Energie auf die in der Nähe befindlichen Personen übertragen wird (wobei – das nur nebenher – die bekannten Empfehlungen bezüglich Eichen und Buchen nicht stimmen, aber das ist hier nicht das Thema).

Daneben gibt es noch den so genannten Blitz-Schritt, auch als Schrittspannungseffekt bezeichnet (wobei der Strom bei gespreizten Beinen über ein Bein ein- und das andere austreten kann). Spektakulär auch der telefon- bzw. leiter-vermittelte Blitz-Effekt (entweder direkt durch die Telefonleitung bzw. den Telefonapparat am Ohr oder über ein Elektrokabel). Innerhalb von Gebäuden können Menschen übrigens nicht nur beim Telefonieren über das Festnetz, sondern auch bei der Bedienung von elektrischen Geräten vom Blitz geschädigt werden. Schließlich gibt es Übertragungsmechanismen besonderer Art, die aber noch ein wissenschaftlicher Klärung bzw. Bestätigung bedürfen.

In ihrem Fach-Beitrag gehen die Autoren neben den Leichenschau-Befunden (z. B. Hautverbrennungen mit farnkrautartigen Blitzfiguren u. a.) auf blitz-bedingte Todesursachen ein. Dabei können die durch den Blitz zerrissenen Kleider oder sonstige mechanische Begleit-Verletzungen mitunter die Fehl-Diagnose eines Tötungs-Delikts auslösen.

Zum tödlichen Blitz-Unfall kommt es entweder sofort oder erst nach einiger Zeit. Beim unmittelbaren Tod sind es vor allem Herzrhythmus-Störungen, aber auch Atemlähmung und dadurch bedingter Kreislauf-Stillstand. Auch Zerreißungen der inneren Organe sind möglich. Stirbt der Betroffene erst nach einiger Zeit, dann meist an Herzmuskel-Schädigung, Verbrennungen, Nierenversagen oder anderen Folgen, z. B. Sturz.

Das heißt, der Blitz beschäftigt eine ganze Reihe medizinischer Fachrichtungen, nicht nur Dermatologen (Haut), Internisten bzw. Kardiologen (Herz-Kreislauf) und Nephrologen (Nieren), sondern auch Augenärzte (bis zur vorübergehenden oder gar dauerhaften Erblindung), HNO-Ärzte (Störungen des Hör- und/oder Gleichgewichtsorgans, vor allem bei telefon-vermittelten Blitzunfällen) sowie Neurologen.

Dabei erweist sich das Nervensystem als besonders anfällig gegenüber Blitz-Schäden, und zwar nicht nur was Seh- und Hörstörungen anbelangt, sondern durch Schädigung der Hirnnerven auch Gesichtsmuskel- sowie Stimmlähmungen, Schluckstörungen, Schwäche oder Lähmungen von Armen und Beinen sowie vielfältige Missempfindungen und Schmerzen (vor allem Brennen).

Schließlich sind auch traumatologische Blitzunfall-Folgen zu beachten, meist als so genannte Sekundäreffekte. Dazu gehört neben dem Sturz vor allem das Wegschleudern des Opfers, möglicherweise noch gegen einen festen Gegenstand. Blitz-bedingte Muskelkontraktionen (Zusammenziehungen) können mitunter so extrem sein, dass sie zu Knochenbrüchen führen. Trifft es den Kopf, dann drohen Schädelfrakturen und vor allem Blutungen im Bereich des Gehirns. Die blitz-bedingte Druckwelle kann sogar innere Organe zerreißen, z. B. die Harnblase oder – noch dramatischer – wichtige Gefäße, nicht zuletzt die große Körperschlagader.

Und um die Reihe der ernsthaften Organ-Schädigungen noch zu vervollständigen, sind natürlich auch gynäkologische und geburtshilfliche Effekte zu beachten. Dabei sind Störungen der Monatsblutung noch am ehesten zu verschmerzen, nicht aber der Tod des Ungeborenen im Mutterleib (wobei die Mütter im Rahmen der bisher bekannt gewordenen Fälle meist überlebten).

Seelische Störungen nach Blitz-Unfall

Gewitter, Blitz und Donner haben auch psychische Folgen, das ist eine alte Erkenntnis. Falls jemand Angst vor den realen Folgen eines Gewitters entwickelt, hat das keine krankhafte Bedeutung, im Gegenteil. So etwas nennen die Psychiater und Psychologen auch nicht Angst, sondern Furcht, also eine sinnvolle, angemessene, „normale“ Angst vor etwas, vor dem man sich in der Tat hüten, sich auf jeden Fall nicht leichtfertig aussetzen sollte. Auch so etwas kann zwar ungewöhnliche, vielleicht sogar quälende Ausmaße annehmen, ist aber – wie gesagt – keine Erkrankung. Dazu kann sie allerdings im Rahmen einer Zwangsbefürchtung werden, das nennt man dann phobische Ängste oder einfach Phobien.

Die meisten Angstzustände haben „innerseelische“ Ursachen, phobische Ängste dagegen äußere Auslösebedingungen: Gegenstände, Lebewesen, Ereignisse usw. Sie sind weit verbreitet und werden – je nach Auslöser - mit entsprechenden Fachbegriffen versehen. Einzelheiten dazu siehe die spezifischen Kapitel in dieser Serie, vor allem über die Angststörung. Dort wird man dann auch lesen, dass Naturereignisse wie Stürme, Gewitter, vor allem aber Blitz und Donner zu den spezifischen Phobien gerechnet werden, wenn sie eine nachvollziehbare Dimension nach Intensität und Dauer überschreiten.

Sollte der Blitz aber doch einmal real „einschlagen“, dann sieht die Sache natürlich ganz anders aus. Jetzt könnte sich dann das einstellen, was man eine posttraumatische Belastungsreaktion (zeitlich begrenzt) oder Störung (längerfristig) nennt. Für eine solche seelische Erkrankung gibt es natürlich viele Ursachen und Auslöser, über die man ggf. sogar geteilter Meinung sein könnte (entscheidend aber ist nicht das Ereignis an sich, sondern die Belastbarkeit des Betroffenen).

Bei einem Blitz-Unfall aber wird wahrscheinlich niemand zweifeln, dass derlei seinen Preis hat. Der kann allerdings sehr unterschiedlich ausfallen, von erheblicher Beeinträchtigung für den Rest des Lebens über eine nachvollziehbare Furcht bei entsprechenden Wetterlagen bis zur (demonstrativen!) Gleichgültigkeit, die aber psychologisch oftmals hinterfragt werden muss („Überkompensation“?).

Welche seelischen bzw. psychosozialen Symptome aber schildern die Mediziner der Universität Rostock aufgrund ihres Literatur-Überblicks im Deutschen Ärzteblatt?

Bei Kindern werden vor allem Stimmungsschwankungen, Erregungszustände, Vergesslichkeit, Konzentrationsverlust und Depressionen genannt, die durch schwere Phasen emotionaler (Gemüts-)Labilität, wenn nicht gar Todeswünsche verstärkt werden können.

Auch bei Erwachsenen sind Depressionen nicht auszuschließen, die mitunter über Monate hinweg andauern. Je nach Persönlichkeitsstruktur wird auch über hysterische Reaktionen berichtet. Das kann Ausdruck extremer Ängste und Gemütswallungen sein und dann durchaus auch Leicht-Verletzte, ja sogar „nur“ die Zeugen eines Blitz-Unfalls treffen.

Nicht selten sind auch ständige Müdigkeit, kognitive Störungen (Merk- und Konzentrationsstörungen, Vergesslichkeit) u. a., die noch viele Jahre nach dem Unfall anhalten können.

Was ist zu tun?

Vom Blitz getroffene Opfer mit Herz- und Atem-Stillstand sind grundsätzlich reanimierbar, betonen die Experten. Selbst weite, reaktionslose Pupillen sollten nicht von entsprechenden Wiederbelebungs-Bemühungen abhalten. Die Erfolgsquote ist erstaunlich, selbst wenn die Erst-Maßnahmen nach einem scheinbar nicht mehr überbrückbaren Zeitrahmen einsetzen. Ja, „die Reanimation Blitz-Geschädigter ist erfolgsversprechender als bei Opfern mit Kreislaufstillstand anderer Ursache“. Offenbar garantiert bei solchen Fällen eine so genannte Minimal-Zirkulation des Kreislaufs das notwendige Überlebens-Potenzial. Auch soll nach Blitz-Einschlag die Degeneration der Zellen relativ langsam fortschreiten. Kurz: beherzt eingreifen und nicht den Mut sinken lassen, weiter machen.

Selbst ein „scheinbar lebloses Opfer mit Kreislauf-Stillstand“ hat noch eine Chance, betonen die Ärzte.

Und was die seelischen Konsequenzen anbelangt, so dürfte die Ursache, nämlich der direkte Blitz-Unfall jedem Respekt und Verständnis abfordern – eine gute Voraussetzung für entsprechende Hilfestellungen nicht nur durch Psychiater, Psychotherapeuten, Psychologen und Hausarzt, sondern auch durch das nähere und weitere Umfeld. Und das ist noch immer die beste Voraussetzung für eine erfolgreiche Genesung und dauerhafte seelisch-körperliche Stabilität, selbst wenn einem der Blitz getroffen hat.

Bei allen Ausführungen handelt es sich um allgemeine Hinweise.
Bei persönlichen Anliegen fragen Sie bitte Ihren Arzt.
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