Prof. Dr. med. Volker Faust Psychosoziale Gesundheit von Angst bis Zwang Seelische Störungen erkennen, verstehen, verhindern, behandeln |
OBDACHLOSIGKEIT UND SEELISCHE STÖRUNGWer in allen Gassen wohnt, wohnt übel (altes Sprichwort)
Man kann es an sich selber beobachten: Wann immer man in eine fremde Stadt kommt (in der eigenen beginnt man sich daran zu gewöhnen) fällt einem dies und jenes auf - und Obdachlose. Gemeint sind nicht Jugendliche in entsprechendem Outfit und greller Haartracht, gemeint ist auch nicht die Mehrzahl jener, manchmal gar nicht bedürftig Aussehender, die Passanten um Geld angehen („haben Sie mir mal „ne Mark„, heute - ebenfalls aufgeschlagen - „‘nen Euro„). Nein, gemeint sind jene Menschen, die ganz offensichtlich kein zu Hause haben, auf der Straße oder wo auch immer leben müssen (oder wollen?) – und die uns nachdenklicher machen als alle anderen Problem-Gruppen. Denn das ist scheinbar die unterste Stufe menschlicher Existenz in unserer Zeit und Gesellschaft, in die man abstürzen kann.
Und weil wir wissen, dass in eben dieser unserer Zeit und Gesellschaft niemand als „Bettler„ oder „Stadt- bzw. Landstreicher„ geboren wird, müssen wir auch mit der Erkenntnis fertig werden: Hier steht offenbar ein trauriges Schicksal dahinter. Und obgleich wir solche Gedanken schnell wieder verdrängen, bleiben doch einige offene Fragen - inhaltliche und formale -, die wir gerne einmal beantwortet hätten. Nachfolgend deshalb der Versuch, solche Schicksale in nüchterne Fakten zu fassen, wie sie uns aus entsprechenden sozialpsychiatrischen Untersuchungen zur Verfügung stehen, im vorliegenden Fall beispielsweise durch die Arbeitsgruppen um Professor Dr. M. M. Fichter (München) und Privatdozent Dr. G. Längle (Tübingen). Vom Vagabunden zum Obdachlosen – zur Geschichte der Begriffe Obdachlosigkeit scheint zwar auf den ersten Blick ein konkret umschriebener Zustand zu sein, wenn auch zeit- und kulturabhängig. Das zeigt sich offenbar schon in den verschiedenen Begriffen: So sprach man in früheren Jahrhunderten von Vagierern (vom lateinischen: vagare = umherschweifen oder vagus = unstet) oder von Vaganten (fahrende Leute), später von Kammesierern und Hippenbuben. Während der Industrialisierung im 19. Jahrhundert, in der die wirtschaftliche Not weite Kreise erfasste, nannte man sie verarmte Korrigenden und steckte sie in Arbeitshäuser. Anfangs des 20. Jahrhunderts bezeichnete man sie als Landstreicher, Berber oder Vagabunden (siehe oben). Erst einige Jahrzehnte später interessierte man sich auch für die seelischen Hintergründe und hatte gleich einen abwertenden Begriff parat: unstete Psychopathen. Während des Dritten Reiches wurden die Obdachlosen zu arbeitsscheuen Nichtsesshaften. Heute nennt man sie Wohnungslose oder Obdachlose (englischer Fachbegriff: homeless mentally ill). In diesem Wechsel der Begriffe spiegelt sich aber nicht nur eine veränderte Einstellung zu diesen Mitmenschen, sondern auch eine Veränderung des Personenkreises wider. Und nicht erfasst sind natürlich jene Begriffe in der Alltagssprache, die eher abschätzig gemeint sind wie Stadtstreicher, Landstreicher, Penner u. a. Obdachlose aus wissenschaftlicher Sicht – ein ungelöstes Problem? So sehr diese Menschen auch zur Diskussion herausfordern (bisweilen auch im wahrsten Sinne des Wortes), so dürftig sind die objektivierbaren, die wissenschaftlich und statistisch gesicherten Daten. Vor allem stehen sie im krassen Gegensatz zu dem, was „man„ über diese Menschen zu wissen glaubt. Denn wenn man sich einmal herumfragt, so gibt es erstaunlich viel festgefügte Meinungsbilder in der Bevölkerung, sehr im Gegensatz zu dem, was die Forscher auf diesem Gebiet zu bestätigen in der Lage sind. Denn über die Lebenssituation bei wohnungslosen Männern und vor allem Frauen gibt es - insbesondere in Deutschland - kaum ausreichende und gesicherte Daten. So etwas wird in allen Nationen verdrängt, kann kaum auf Forschungs-Interesse, geschweige denn finanzielle Unterstützung hoffen, interessiert natürlich auch niemand (wenn man einmal von der erwähnten „Belästigung„ an manchen Straßenecken und Plätzen absieht) und führt demnach auch zu wissenschaftlichen Defiziten, insbesondere was das methodische Vorgehen bei entsprechenden Untersuchungen anbelangt. Und dies verwundert nicht. Man denke nur einmal an die Schwierigkeiten, wie man diesen Personenkreis definieren und wie man wirklich an diese Menschen herankommen soll, um zu erfahren, was sie in diesen Zustand getrieben hat. Und vor allem wie man repräsentative Stichproben zusammen bekommen soll (denn repräsentativ heißt ja eine Gruppe von Einzelmenschen erfassen, die streng zufällig gewonnen wird, aber einen verwertbaren Überblick über die Gesamtheit vermittelt). Ganz zu schweigen von dem Problem, wie man die Untersuchung diagnostisch angeht, d. h. was, wie, wo und weshalb man Ursachen, Hintergründe, Beschwerden u. a. erfragen muss. Außerdem existiert in Deutschland keine Wohnungsnotfall-Statistik, jedenfalls ist sie nicht gesetzlich vorgeschrieben, weshalb auch keine exakten Zahlen über den Umfang der Obdachlosigkeit, das Vorliegen von Wohnungsnotfällen und die Zusammensetzung der betroffenen Bevölkerungsgruppen verfügbar sind. Stattdessen werden jährlich Schätzungen durchgeführt, die lediglich auf den Angaben der Wohnungslosenhilfe basieren (Bundesarbeitgemeinschaft Wohnungslosenhilfe, Jahresberichte). Leider gibt es bisher keine international akzeptierte Definition zur Beschreibung von Personen, die nicht über einen hinreichenden Wohnraum verfügen. Aus diesem Grund kommen in den verschiedenen Studien auch unterschiedliche Kriterien (kennzeichnende Merkmale) zum Einsatz, wenn es um die Erfassung der Zielgruppe „Wohnungslose„ geht. Das führte bisher dazu, das man sich an selektierte (ausgewählte) Stichproben halten musste, z. B. an Personen, die örtliche Einrichtungen der Wohnungslosenhilfe in Anspruch nehmen. Oder dass es überwiegend männliche Obdachlose sind, die erfasst wurden, während bei obdachlosen Frauen eine hohe Dunkelziffer (nicht bekannt gewordene und damit statistisch nicht erfasste Fälle) besteht. Weibliche Wohnungslose nutzen beispielsweise die vorhandenen Hilfesysteme weitaus weniger und leben zudem oft in einer so genannten verdeckten Wohnungslosigkeit („latente Wohnungslosigkeit„), die natürlich öffentlich weit weniger sichtbar ist als bei Männern. Und schließlich interessiert die Wissenschaft erst nach und nach ein Phänomen, das zumindest einen Teil der „Obdachlosen-Mentalität„ erklären und durch eine erfolgreiche Therapie durchaus gemildert werden könnte, nämlich die seelischen Erkrankungen dieser Menschen. Diese Betroffenen - obdachlos und psychisch gestört - sind aber noch schwerer zu erfassen, sowohl real als auch was standardisierte Untersuchungsinstrumente (z. B. Befragungen, fachärztliche Untersuchungen) anbelangt. Kein Wunder, dass die bisher vorliegenden Häufigkeits-Ergebnisse in dieser Bevölkerungsgruppe von 5 bis 100% streuen, d. h. es gibt Untersuchungen, die lediglich 5% seelisch Gestörte und solche die ausschließlich seelisch Erkrankte in ihrer Klientel gefunden haben wollen.
Und ein letzter Aspekt beeinträchtigte bisher den notwendigen objektiven Überblick: Obdachlose finden sich vor allem in Großstädten (entweder aufgrund der entsprechenden Bevölkerungszahl oder weil es sie vermehrt dorthin zieht, aus welchen Gründen auch immer). Deshalb beziehen sich die meisten Studien auch auf diese Obdachlosigkeits-Großstadtklientel. Für ein kleinstädtisches oder gar ländliches Milieu gab es lange Zeit keine entsprechenden Untersuchungen, was sich aber inzwischen geändert hat (Iris Torchalla, 2002). Nachfolgend nun eine komprimierte Übersicht zu diesem Thema. Sozialpsychiatrische Aspekte heute Es ist keine Frage: Diese Menschen, die abgerissen, ungewaschen und übelriechend, verfroren und durch Krankheiten aller Art gezeichnet in Stadtzentren oder Parks sitzen oder mit oder ohne Gepäck, Fahrräder und (Einkaufs-)Wägelchen durch die Straße humpeln, diese Menschen waren zuvor „Menschen wie du und ich„, bis sie seelische Störungen, wirtschaftliche Misserfolge, zwischenmenschliche Schicksalsschläge und schließlich zusätzliche Erkrankungen, die bei einer solchen Lebensweise nicht auszubleiben pflegen, in eine aussichtslose Randposition drängten. Allerdings spielen sie in den Diskussionen des Alltags keine Rolle, es sei denn, sie „verunzieren„ das Stadtbild oder belästigen andere. Und dafür ist ja auch die Sozialhilfe zuständig, die soll sie von der Straße holen - wie auch immer so etwas durchsetzbar ist. So der übliche Kommentar. Bevor aber so etwas mit Erfolg praktiziert werden kann (das fällt auch den zuständigen Institutionen immer schwerer, Beispiel: Praxisgebühr bei Tagessätzen der Sozialhilfe die derzeit unter der Praxisgebühr liegen), muss man wissen, mit wem man es zu tun hat. Und dies wurde schon vor über 100 Jahren versucht, gleichsam zu Beginn der deutschen psychiatrischen Obdachlosenforschung (Karl Wilmanns: Zur Psychopathologie des Landstreichers, 1906). Dabei drängte sich schon damals eine Erkenntnis auf, die noch heute bestätigt werden muss: Ein beträchtlicher Teil dieser „Vagabunden„ und „Landstreicher„ hatte eine sogenannte Dementia praecox, was man später als schizophrene Psychose bezeichnete (siehe das entsprechende Kapitel über die Schizophrenien).
Demzufolge wurden schon damals - folgerichtig - nicht nur eine humane Unterbringung und Versorgung, sondern auch eine psychiatrische Behandlung gefordert. Und natürlich die vorbeugende Fürsorgeerziehung von gefährdeten Kindern und Jugendlichen und die Bekämpfung von Arbeitslosigkeit und Alkoholismus - alles Aspekte, die auch heute noch eine große Rolle spielen. Im Dritten Reich wurden „Wanderer mit pathologischen Minderwertigkeiten„ ab 1933 in Arbeitshäuser und Konzentrationslager gesperrt und später auch zu Tausenden in diesen Kz´s umgebracht. Die von den Überlebenden gestellten Wiedergutmachungsanträge wurde nach dem 2. Weltkrieg übrigens abgelehnt, da das Bundesentschädigungsgesetz (BEG § 1) eine Wiedergutmachung nur für Unrecht aus rassischen, politischen oder religiösen Verfolgungsmotiven vorsah. Das zeigt recht deutlich, dass Obdachlose seit jeher durch alle Raster gefallen sind, selbst wenn man ihnen grundlos und widerrechtlich ihre Freiheit nahm oder sie gar mit dem Tode bedrohte. In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts besserte sich allerdings die Einstellung und damit die Lage der Obdachlosen; allerdings nur jener, die diese Angebote auch annahmen. Und genau das ist das Problem, auf das im Folgenden noch näher eingegangen werden muss (siehe unten). Denn auch hier verändert sich einiges von selber: Mit steigenden Arbeitslosenraten und einer Verteuerung des Wohnraums und vor allem mit der sogenannten „De-Institutionalisierung„ der psychiatrischen Groß-Krankenhäuser mit erheblicher Reduzierung psychiatrischer Betten verschärfte sich nach und nach wieder das Obdachlosen-Problem in den meisten westlichen Industrieländern. Erst in letzter Zeit greifen wieder vermehrt jene kommunalpolitischen Maßnahmen, die wenigstens die Grundlage der Obdachlosigkeit zu mildern versuchen, nämlich mehr Wohnraum, und sei es in Heimen und Pensionen - aber wie lange noch unter den wachsenden finanziellen Engpässen. Was unverändert schwierig bleibt, ist die medizinische, insbesondere psychiatrische Versorgung dieses Personenkreises, der zwar nicht mehr grundsätzlich und unwiderruflich obdachlos, aber deshalb noch lange nicht gesund, insbesondere psychiatrisch behandelt ist. Und das wäre in der Mehrzahl der Fälle durchaus nötig. Obdachlose – statistische Angaben Auch wenn Obdachlose scheinbar „überall nur rumstehen„, sind sie trotzdem schwer zu erfassen. Dennoch hat man sich zuerst in den USA, später auch in Deutschland um diesen Personenkreis wissenschaftlich bemüht, sogar als „halbwegs„ repräsentative Stichprobe. Meist handelt es sich um sogenannte strukturierte Interviews, d. h. gleichlautende Fragen im persönlichen Gespräch. Dabei zeigte sich in mehreren amerikanischen und auch deutschen Studien, dass Obdachlose überdurchschnittlich häufig psychisch schwer Erkrankte sind. Der Eindruck, der sich schon im Alltag aufdrängt, täuscht nicht: Zwei Drittel sind alkohol- und drogenabhängig, und rund 15 bis 30% leiden entweder unter einer schizophrenen Psychose oder einer Gemütskrankheit, in der Regel Depression oder manische Hochstimmung bzw. Angststörung. Wenn auch erfahrungsgemäß nur die Minderheit aller Betroffenen mit einer seelischen Störung deshalb ihren Arzt aufsucht, so pflegen doch Nicht-Obdachlose alles zu tun, um wieder gesund zu werden. Obdachlose aber in der Regel nicht. Sie suchen nur sehr selten medizinische Hilfe und fast gar nicht psychiatrische Unterstützung. Für Obdachlose wichtiger - jedenfalls wenn man sie gezielt darauf anspricht -, sind Unterkunft, Nahrung und Kleidung - da bleibe für Gesundheitsfragen kein Raum mehr, meinen die meisten. Das ist natürlich eine verhängnisvolle Einstellung und hat eher etwas mit der Wesensart der Betroffenen, vor allem aber mit ihrer (seelischen) Krankheit zu tun. Denn auch wenn Unterkunft und Verpflegung (von den zuständigen Behörden) geregelt sind, neigen die meisten trotzdem nicht dazu einen Arzt aufzusuchen und sich behandeln zu lassen, selbst wenn man sie als schwer erkrankt einstufen muss. Obdachlose – wer ist das? Die relativ wenigen Untersuchungen über Obdachlose im deutschen Sprachraum beziehen sich in der Regel auf die gleichen Regionen (München, Berlin, Mannheim, Tübingen und Umgebung u. a.) - und vor allem auf Männer. Dabei ergaben sich für männliche Wohnungslose folgende statistische Erkenntnisse: Die erfassten Obdachlosen waren zwischen 26 und 60 Jahre, im Durchschnitt 43 Jahre alt. Ein hoher Anteil war entweder niemals verheiratet (mehr als die Hälfte) oder geschieden (über ein Drittel). Der Bildungsstand war unterdurchschnittlich, über 10% sogar ohne jeglichen Schulabschluss. Im Durchschnitt verloren diese Männer im Alter von 33 Jahren zum ersten Mal ihre Wohnung. Wiederholte Obdachlosigkeit war nicht selten. Die Mehrzahl hatte keine geregelte Arbeit und damit auch kein Einkommen. Neuere Vermutungen sprechen allerdings von zwei Bereichen, die über durchschnittlich zunehmen, landesweit: Zum einen junge Erwachsene und zum anderen Frauen (siehe später). Dabei können sich im Laufe der Zeit auch die anderen Aspekte verschieben, was laufend aktuelle Erhebungen notwendig machen sollte.
Interessanterweise haben sich die früheren „Vagabunden„ jedoch inzwischen eher sesshaft eingerichtet. Acht von zehn leben überwiegend am gleichen Ort, und der Rest verlässt zumindest nicht die weitere Region. Der bevorzugte Schlafplatz liegt - in witterungsmäßig erträglichen Zeiten - in vier Fünfteln der Fälle im Freien oder „eigenen Biwak„ (meist in Parks oder sonstigen Grünanlagen oder unter Brücken). Nur jeder Fünfte wählt ein Übernachtungsheim oder eine Pension, die gleiche Anzahl sucht Bekannte oder Verwandte auf. Etwa jeder Zehnte bevorzugt Rohbauten oder Abrisshäuser (die Summe der Angaben übersteigt natürlich 100%, was durch Mehrfachnennungen erklärbar ist, also mal dies, mal jenes, je nach dem, wie es sich gerade anbietet). Im Rahmen sozialer Bemühungen scheint sich allerdings der bevorzugte Schlafplatz in den letzten Jahren in Richtung Wohnheim, Heim oder Pension zu verschieben. Diese haben aber vermehrt mit den neuen finanziellen Engpässen zu kämpfen. Oder mit anderen Worten: Der (wirtschaftlich erzwungene) Trend geht wieder in Richtung „Unterkunft unter freiem Himmel„. Gründe der Obdachlosigkeit Weshalb obdachlos, wie ist es dazu gekommen? Die Mehrzahl der männlichen Befragten sieht vor allem finanzielle Probleme als wichtigsten Grund (zwei Drittel). Danach kommen Arbeitslosigkeit bzw. der vor kurzem erfolgte Verlust eines Arbeitsplatzes (jeder Zweite). Auch Scheidung und andere familiäre Schwierigkeiten (jeweils rund jeder Zehnte) sind entscheidende Einschnitte (wiederum Mehrfachnennungen und damit über 100 Gesamt-Prozent). Neben diesen psychosozialen Schwierigkeiten, gibt es natürlich auch seelische Beeinträchtigungen, die zu dieser Situation beigetragen haben, wenn auch nicht - wie zu erwarten - aus der Sicht der Betroffenen. Denn nicht einmal jeder Fünfte sieht bei sich selber psychische Beeinträchtigungen gegeben. Etwa vier von zehn geben wenigstens Alkohol-„Probleme„, kaum einer aber einen ernsteren Drogenkonsum zu. Und obgleich man nicht wenigen Obdachlosen schon von weitem ansieht, welchen rein körperlichen Gesundheitsbelastungen sie offensichtlich ausgeliefert sind (Herz-, Kreislauf, Gelenke u. a.), scheint das für nur jeden Zehnten ein bedeutsamer Grund für die Obdachlosigkeit zu sein - zumindest nach außen. Obdachlose Frauen mit psychischer Erkrankung – neue Erkenntnisse Über die Lebenssituation und vor allem das Ausmaß an seelischen Erkrankungen bei obdachlosen Frauen gibt es wenig wissenschaftlich gesicherte Daten, vor allem in Deutschland. Zwar fallen diese Frauen im Einzelfall besonders auf und erregen dann nicht selten Verwunderung oder lösen entsprechend abfällige Bemerkungen aus, aber statistisch und damit sozialpolitisch gesehen schienen sie bisher kein Thema - lange Zeit. Das beginnt sich zu ändern. Es sind ja - wie erwähnt - zwei Bereiche, die bei den Obdachlosen deutlich zunehmen, zum einen die junge Generation im Allgemeinen und zum anderen Frauen im Speziellen. Nachfolgend deshalb die Ergebnisse einer neuen Untersuchung aus dem Raum Tübingen. Im Einzelnen (nach I. Torchalla, F. Albrecht, G. Buchkrämer und G. Längle, 2004): Bei dieser Untersuchung müssen zwei besondere Aspekte berücksichtigt werden: 1. das weibliche Geschlecht und 2. die erfasste Region. Letzteres verpflichtet zu besonderer Vorsicht bzw. Interpretation der gewonnenen Ergebnisse. Denn bisher wurden entsprechende Untersuchungen nur bei Wohnungslosen in Großstädten durchgeführt, jetzt auch in einer kleineren Universitätsstadt am Rande eines städtischen Ballungsraumes. Deshalb - das sei schon hier vorweggenommen - sind bei dieser Untersuchung großstädtische Strukturen und Milieus wie beispielsweise in München, Berlin oder Hamburg nicht aufzufinden. So existieren in kleineren Gemeinden weder Pensionen noch betreute Wohnprojekte für wohnungslose Frauen (es wird jeweils für den Einzelfall individueller Wohnraum gesucht) und es gibt auch keine Sammelnotunterkünfte für Frauen oder solche, die dauerhaft auf der Straße leben. Das ist übrigens bei wohnungslosen Männern auch in kleineren Gemeinden durchaus anders. Dafür gibt es ein Problem, das alle Untersuchungen auszeichnet: Obdachlose lassen sich so oder so schwer erreichen, Frauen ganz besonders. Deshalb wird man auch nicht von einer repräsentativen Studie ausgehen können, auch wenn sich die Schicksale meist ähneln.
Das Durchschnittsalter der befragten Frauen in Großstädten liegt meist nur gering unter dem der Männer (in Hamburg beispielsweise Männer: 42 Jahre, Frauen: 40 Jahre). Die Frauen in der Tübinger Untersuchung sind mit 29 Jahren deutlich jünger als Frauen in anderen (Ballungs-)Gebieten und auch deutlich jünger als wohnungslose Männer in der eigenen Region. Vor allem ältere Frauen sind unterrepräsentiert. Man vermutet, dass Ältere zurückgezogener leben (und deshalb noch schwerer zu erfassen sind), eher in Großstädte abwandern oder dass im vorliegenden Falle eine kleinere Universitäts-Stadt auf junge wohnungslose Frauen eine besondere Anziehungskraft ausüben könnte. Die meisten waren ledig, keine war verheiratet; immerhin hatte fast ein Drittel einen Partner. Auffällig war - trotz des geringen Alters - eine hohe Trennungsrate. Dies unterstreicht, dass gescheiterte Paarbeziehungen für den Wohnungsverlust bei Frauen von besonderer Bedeutung sein könnten. Trotz der hohen Trennungsrate lebten diese Frauen nicht sozial isoliert, alle hatten Kontakte zu Angehörigen und/oder Freunden. Zwei Drittel hatten übrigens Kinder, die teilweise bei anderen lebten. Das besagt, dass die entsprechenden Hilfen nicht nur auf alleinstehende Personen, sondern auch auf alleinstehende Frauen mit Kindern zugeschnitten sein sollten. Die schulischen und beruflichen Qualifikationen waren niedrig. Ein Viertel hatte keinen Schulabschluss, drei Viertel keine abgeschlossene Ausbildung. Die meisten waren nicht oder nur geringfügig erwerbstätig und lebten von der Sozialhilfe (durchschnittliches monatliches Einkommen: 475,- €, einschließlich der Bezüge für die Kinder). Das Durchschnittsalter zu Beginn der aktuellen Wohnungslosigkeit betrug 27 Jahre. Dabei fiel auf, dass nicht wenige bereits mit 13 bis 18 Jahren , d. h. sehr jung in die Wohnungslosigkeit geraten waren (ein warnender Hinweis auf die weiter unten ausgeführte Erkenntnis: Es werden immer häufiger junge Menschen obdachlos). Ein Drittel wohnte ohne mietrechtliche Absicherung bei Freunden oder Bekannten, was häufig mit sexuellen Gegenleistungen verbunden war (und zusätzliche Belastungen jeglicher Art mit sich zu bringen pflegt). Solche Konstellationen bezeichnet man als „verdeckte Wohnungslosigkeit„. Immerhin lebte keine der zum Untersuchungszeitpunkt erfassten Frauen auf der Straße, was aber einige für ihre Vergangenheit durchaus zugaben. Wie kommt es nun zur Wohnungslosigkeit von weiblichen Betroffenen? Fast die Hälfte gab als Auslöser zwischenmenschliche Konflikte mit den Eltern oder dem Partner an, wobei Gewalt-Erfahrungen keine geringe Rolle spielen. Dies scheint also ein besonderes und bisher nicht adäquat berücksichtigtes Problem zu sein. Meist konzentriert man sich auf die aktuelle Wohnungslosigkeit und nicht auf die vorausgegangenen Ursachen. Dabei hatten 3 von 4 dieser Frauen ihr Elternhaus in sehr jungem Alter verlassen, was sie teilweise direkt in die Wohnungslosigkeit führte. Konkrete Motive waren neben innerfamiliären Problemen (starrer Erziehungsstil, Konflikte zwischen den Eltern) vor allem sexueller Missbrauch. Mit anderen Worten: Der Auszug von zu Hause ist kein natürlicher Abnabelungsprozess, sondern eine Flucht aus der unerträglichen Herkunftsfamilie und damit eine fürs Erste gelungene, mittelfristig oder dauerhaft aber dann doch tragische Lösung. Ein Viertel dieser - meist sehr jungen - Frauen gab auch an, dass psychische Probleme an der Entstehung der Wohnungslosigkeit beteiligt waren. Hier wäre eine rechtzeitige professionelle Betreuung sicher heilsam gewesen - doch es kam nicht dazu, wie so oft bei später Wohnungslosen. Im Übrigen finden sich auch beim männlichen Wohnungslosen ähnliche Gründe für die spätere Obdachlosigkeit: Konflikte mit Eltern und Partnerin (jeder zweite Fall), gefolgt von Suchterkrankungen, finanziellen Nöten und Arbeitslosigkeit. Was Männer und Frauen unterscheidet, ist vor allem die erwähnte Gewalt-Erfahrung und sexuelle Ausbeutung. Psychisch kranke wohnungslose Frauen Eine der wichtigsten Ergebnisse dieser Studie an wohnungslosen Frauen, die auch auf das männliche Geschlecht übertragen werden kann, ist der hohe Prozentsatz an seelischen Erkrankungen. Über die gesamte Lebenszeit hinweg mussten 9 von 10 Frauen eingestehen, bereits einmal eine seelische Störung durchgemacht zu haben. Wohnungslose Frauen ohne psychische Erkrankung sind offenbar eine seltene Ausnahme (und wahrscheinlich auch altersabhängig, d. h. je älter, desto eher seelisch belastet). Am häufigsten finden sich Suchtkrankheiten (insbesondere Alkoholabhängigkeit, aber auch Rauschdrogen), gefolgt von Angststörungen, Depressionen und schizophrenen Erkrankungen. Ein nicht geringer Anteil litt unter mehreren seelischen Krankheiten, entweder hintereinander oder gar zusammen (Fachbegriff: Comorbidität, eine ohnehin und vor allem bedrohlich wachsende Entwicklung generell). Besonders häufig scheint die Kombination aus Sucht und einem anderen seelischen Leiden zu sein. Ein Drittel der erfassten Frauen hatte mindestens einmal versucht, sich das Leben zu nehmen. Alle berichteten von körperlicher oder sexueller Gewalt, oft schon innerhalb der eigenen Familie beginnend und ein oder der entscheidende Grund, schon früh das Elternhaus zu verlassen – s. o. Im Vergleich zu anderen Studien scheint bei Frauen (und auch Männern) deutlich zu werden:
Zuletzt muss - trotz dieser desolaten Situationsschilderung - auch eingestanden werden, dass die allgemeine bzw. subjektive Lebenszufriedenheit der befragten Frauen nicht nur negativ war, nein, zur Überraschung der Untersucher mitunter sogar recht hoch. Etwa die Hälfte war durchaus mit ihrem Leben zufrieden, wobei - zumindest in dieser Stadt - die Bereiche Gesetz und Sicherheit, Arbeit, Freunde und Bekannte sowie allgemeine Lebenszufriedenheit am positivsten beurteilt wurden. Am schlechtesten natürlich die Wohn- und finanzielle Situation. Unzufrieden waren die meisten Frauen auch mit ihrer Gesundheit, und zwar sowohl körperlich als auch seelisch. Die schlechteste Ausgangslage hatten Frauen in unsicheren Wohnungsverhältnissen mit körperlichen Leiden und seelischen Erkrankungen. Ein gefährliches Dasein Obdachlose sind in vielerlei Hinsicht belastet. Doch schon aus einem einzigen Grund würde niemand mit ihnen tauschen wollen: Das Leben auf der Straße hat seine Gefahren. Tatsächlich wurden von den befragten Müncher Obdachlosen vier von zehn bereits einmal Opfer körperlicher Gewalt (und in dieser Studie handelte es sich ausschließlich um männliche Befragte), die zu nachhaltigen Verletzungen führte. Jeder Dritte war schon beraubt, jeder Vierte bestohlen worden. Und jeder Zehnte sogar Opfer sexueller Belästigung oder sexuellen Missbrauchs geworden. Die Tendenz, Opfer eines kriminellen Übergriffs zu werden, scheint in allen Bereichen zu steigen, bei Frauen deutlich stärker als bei Männern.
Natürlich ist man nicht nur Opfer, ein solches Leben kann schon auch selber mit dem Gesetz in Konflikt bringen. Die meisten obdachlosen Männer in der Münchner Untersuchung hatten relativ häufig Kontakt mit der Polizei. Fast alle waren bereits einmal verhaftet worden, meist wegen kleinerer Vergehen wie Schwarzfahren oder Diebstähle. Jeder Fünfte war aber auch schon wegen Raub, Körperverletzung oder eines anderen Verbrechens verurteilt worden. Diese Erkenntnis ist allerdings schon über 100 Jahre alt: Obdachlose, auch seelisch kranke, waren schon damals öfter mit Haft und Gefängnisstrafen vorbelastet, ehe sie im weiteren Verlauf ihres Lebens in psychiatrische Behandlung kamen. „Straßenkinder„ Ein wachsendes Problem sind die „Straßenkinder am Rande der Gesellschaft„. Je nach Quelle soll es sich in Deutschland bei diesen obdachlosen Jugendlichen um „lediglich„ 2.500, nach anderen Quellen bis 40.000 handeln. Die meisten stammen aus desolaten familiären Verhältnissen oder sind aus Heimen ausgerissen. Oft sind Ursache und Entwicklung gleich: Die Eltern sind selber am Rande der Gesellschaft, alkohol-, medikamenten- oder rauschdrogenabhängig, ohne Arbeit, mit wechselndem Aufenthalt. So herrschen zu Hause ständig Not, Streit und Schläge. Also „Flucht von daheim„, so früh es geht (siehe auch die Tübinger Studie über junge Frauen). Die ersten Zwischenstationen sind entweder Wohngemeinschaften oder Verwandte bzw. Freunde. Und „weil das nicht lange gut geht„ schon früh die Straße. Die Mehrzahl lebt von der Sozialhilfe oder - falls ihnen diese nicht gewährt wird - vom Betteln. Die meisten geraten bald selber in Alkohol- und Drogenabhängigkeit, zum einen um ihre Lage erträglicher zu machen, zum anderen um schon in diesem frühen Alter Schmerzen auszuhalten (Campieren im Freien bei jeder Witterung geht auch in jungen Jahren nicht lange ohne entsprechende körperliche Folgen ab). Ein interessanter Unterschied zu den älteren Leidensgenossen ohne Obdach ist der Umstand, dass diese jungen Menschen ihre Situation noch reflektieren, vor allem was die Reaktion des Umfelds und ihre Zukunft anbelangt (siehe Kasten). Einige schaffen den Weg zurück - eine wachsende Zahl aber nicht mehr, Tendenz steigend.
Was sind die wichtigsten Ursachen eines solchen Schicksals Welches sind die häufigsten kausalen (ursächlichen) Faktoren für Obdachlosigkeit, fragt man sich praktisch in jeder Untersuchung. Und sie kommen auch in praktisch jeder Studie wieder in gleicher Häufigkeit zur Sprache. Dabei unterscheidet man verschiedene Betrachtungsebenen oder Kausalfaktoren, wie dies die Wissenschaftlicher nennen. Im Einzelnen:
Und in den meisten Fällen wohl ein niedriger Intelligenzquotient (auf deutsch: beschränkte geistige Gaben). Dabei muss man wissen, dass die kognitiven (geistigen) Fähigkeiten im Laufe eines Obdachlosen-Daseins auch noch drastisch zurückgehen, was verschiedene Ursachen hat (Umfeld, seelische und körperliche Krankheiten, Alkohol, Drogen u. a.).
Was wurde bisher getan und was wäre noch möglich? Dass bisher wenig oder gar nichts geschah, um jenen Mitmenschen zu helfen, die ihr Leben unter offensichtlich erbärmlichen Bedingungen auf der Straße verbringen (müssen), kann so allgemein nicht behauptet werden. Es gab und gibt genügend humanitäre Ansätze, auch wenn einige eher „pragmatisch„ sind („Penner weg von der Rathaustreppe„). Wenn man die verschiedenen Ursachen und vor allem Betrachtungsebenen vergleicht, gibt es eben nicht nur individuelle, sondern auch kulturelle, wirtschaftliche, politische und allgemein menschliche Aspekte. So benötigen die hohe Arbeitslosigkeit, das unzureichende Wohnungsangebot, die Diskriminierung von Minoritäten und der Bettenabbau in den psychiatrischen Kliniken ganz unterschiedliche Lösungsansätze.
Manches könnte aber erträglicher werden, wenn sich die Allgemeinheit mehr der individuellen Not annehmen, d. h. persönliche Kontakte zu diesem oder jenem „Gestrauchelten„ (Zitat) wenigstens versuchen würde. Auch besteht kein Zweifel, dass die Koordination entsprechender Hilfs-Institutionen (staatlich, kommunal, sonstige Institutionen oder auch Einzelaktivitäten) in der Mehrzahl der Fälle verbessert werden könnte (Fachbegriff: Synergismus). Dadurch würde auch das Versorgungsangebot bedarfsgerechter werden. Und auf der sogenannten institutionellen Ebene (z. B. durch die dafür zuständigen Behörden) wäre der Ausbau sogenannten flankierender (siehe oben) Einrichtungen sicher nützlich, vor allem wenn man das Angebot „niederschwellig„ hält (d. h. nicht an zu viele Bedingungen knüpft, die dem „gesunden Bürger in soliden Verhältnissen„ zwar einsichtig erscheinen, vielen Betroffenen in der Obdachlosen-Szene aber wohl nicht mehr vermittelbar sind: „Sooo nicht...!„). Doch wie heißt der resignierende Satz jener Wissenschaftler, die sich damit beschäftigen: Dazu gibt es viele Worte und wenig Taten - und kaum wissenschaftliche Evaluationen (fundierte Untersuchungs-Ansätze und -Ergebnisse). Doch dort, wo man sich um eine wissenschaftlich abgesicherter Verbesserung der sozialen Bedingungen bemühte, war immerhin feststellbar: Die Obdachlosen waren weniger oft ohne „Dach über dem Kopf„, machten von den bestehenden Versorgungsangeboten mehr Gebrauch und waren zufriedener mit dem erhaltenen Angebot (Ansprüche stellen ja die wenigsten). Auch Alkohol- und Rauschdrogenmissbrauch gingen zurück, desgleichen polizeiliche Festnahmen und gerichtliche Verurteilungen. Auch wurden die medizinischen Dienste eher in Anspruch genommen, was sich auch positiv auf die jeweilige Gesundheitslage ausgewirkt haben dürfte. Einzelheiten zu einem solchen Projekt siehe Kasten.
Selbst jene Obdachlose, die durch eine ernstere seelische Störung als „Problemgruppe„ bezeichnet werden mussten, scheinen zumindest andeutungsweise besser durchzukommen, was Krankheitseinsicht und Therapiemotivation anbelangt. Dies vor allem dann, wenn sich in irgendeiner Form eine persönliche Bindung zu der entsprechenden sozialen Institution herstellen ließ. Die größten Probleme bereiten aber nach wie vor jene Obdachlosen, die ernsthaft und vor allem unbehandelt an Alkohol- und Rauschdrogenabhängigkeit, an Schizophrenie, Depression, manischer Hochstimmung, Persönlichkeits- und Angststörungen u. a. zu leiden haben. Deshalb sollte man vor allem die Behandlungsangebote so gestalten und koordinieren, dass sie auch jene erreichen, die - persönlichkeits- und krankheitsbedingt - kaum eine Veranlassung sehen, fremde Hilfe zu suchen und zu nutzen, besonders wenn die bürokratischen und sonstigen Hürden unnötig hoch sind. Der entscheidende Fachbegriff lautet deshalb noch einmal: „niederschwellige Versorgungsangebote„, also ohne überzogene Bedingungen (wenigstens in den Augen jener, die man erreichen will). Und vor allem aktiv vorgehend. D. h. man darf nicht warten, bis sich der Obdachlose bei dieser oder jener Institution meldet, man muss die von Schicksal und Krankheit Betroffenen dort abholen, wo sie stehen (und dem unbedarften Bürger nur ein Dorn im Auge sind). Und wenn man sich in die besonderen Bedingungen der Obdachlosen einarbeitet, dann wird rasch klar, dass sich selbst hier die zeit- und gesellschaftsbedingten Strukturen ständig ändern - nur eben auf dem niedrigst-möglichen Niveau eines Menschenlebens. Die Konsequenzen liegen auf der Hand, wenngleich durch zahlreiche Kompromisse in ihrer Wirksamkeit begrenzt. Aber immerhin.
LITERATUR Kein Thema von allgemeinem Interesse, mit dem sich vor allem wissenschaftlich „Ruhm und Ehre„ verbinden lassen. Deshalb – im Gegensatz zu allgemein verständlichen und auch soziologischen Publikationen – nicht allzu viel Fachliteratur aus psychiatrischer Sicht in deutscher Sprache, was sich allerdings in letzter Zeit zu ändern beginnt. Nachfolgend deshalb zwei Beiträge, die als Grundlage vorliegenden Kapitels gelten können sowie eine Übersicht über die deutschsprachige Fach-Literatur: Fichter, M. M.: Psychiatrie der Obdachlosigkeit. In: H. Helmchen u. Mitarb. (Hrsg.): Psychiatrie der Gegenwart. Bd. 3: Psychiatrie spezieller Lebenssituationen. Springer-Verlag, Berlin-Heidelberg-New York 2000 (dort auch weiterführende Literatur, meist englischsprachig) Torchalla, I., F. Albrecht, G. Buchkremer, G. Längle: Wohnungslose Frauen mit psychischer Erkrankung – eine Feldstudie. Psychiatrische Praxis. Im Druck Historisch interessantes Buch: Wilmanns, K.: Zur Psychopathologie des Landstreichers. Barth-Verlag, Leipzig 1906 Übersicht über deutschsprachige Beiträge zum Thema: APA: Diagnotisches und Statistisches Manual Psychischer Störungen – DSM-IV-TR. Hogrefe-Verlag für Psychologie, Göttingen-Bern-Toronto-Seattle 2003. Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe e.V.: Jahresbericht der Geschäftsstelle 1998/1999. Bielefeld 2000 Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe e.V. BAG-Informationen: Weibliche Wohnungsnot. Bielefeld 2001 Bremer, H., R. Romaus: Alleinstehende wohnungslose Frauen in München. Sozialreferat der Landeshauptstadt München, München 1990 Driessen, M., H. Dilling: Psychische Störungen bei Wohnungslosen – angloamerikanische Untersuchungen zu Epidemiologie und Versorgung. Psychiatrische Praxis 24 (1997) 162 Eikelmann, B. u. Mitarb.: Psychische Störung bei nicht-sesshaften Männern. Defizite in der psychiatrischen Versorgung? Sozialpsychiatrische Informationen 2 (1992) 29 Eikelmann, B.: Obdachlosigkeit als Herausforderung – Folgen der Desinstitutionalisierung, Defizite der psychiatrischen Rehabilitation und Kooperation. Nervenarzt 74 (Suppl. 2) (2003) 64 Fichter u. Mitarb.: Prävalenz körperlicher und seelischer Erkrankungen. Daten einer repräsentativen Stichprobe obdachloser Männer. Deutsches Ärzteblatt 97 (2000) 980 Geiger, M., E. Steinert: Alleinstehende Frauen ohne Wohnung. In: Schriftenreihe des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (Hrsg.): Band 124. Kohlhammer-Verlag, Stuttgart 1997 Greifenhagen, A., M. Fichter: Verrückt und obdachlos – psychische Erkrankungen bei wohnungslosen Frauen. Wohnungslos 3 (1998) 89 Hesse-Lorenz, H., R. Boog: Wohnungslosigkeit bei Frauen ist unsichtbar. In: Institut für kommunale Psychiatrie (Hrsg.): Auf die Straße entlassen. Obdachlos und psychisch krank. Psychiatrieverlag, Bonn 1996 Holtmannspötter, H.: Von „Obdachlosen„ „Wohnungslosen„ und „Nicht-Sesshaften„. In: Institut für kommunale Psychiatrie (Hrsg.): Auf die Straße entlassen. Obdachlos und psychisch krank. Psychiatrieverlag, Bonn 1996 Institut für kommunale Psychiatrie (Hrsg.): Auf die Straße entlassen. Obdachlose und psychisch krank. Psychiatrieverlag, Bonn 1996 Kellinghaus, Ch. u. Mitarb.: Wohnungslose und psychisch krank. Fortschritte der Neurologie und Psychiatrie 67 (1999) 108 Kunstmann, W., H. Becker: Methodische Probleme der Erhebung psychiatrischer Krankheitsprävalenzen unter Wohnungslosen. Wohnungslos 3 (1998) 106 Längle, G. u. Mitarb.: Gemeindenahe Rehabilitation für schwer psychisch Kranke? Rehabilitation 40 (2001) 21 Längle, G. u. Mitarb.: Versorgung psychisch kranker Wohnungsloser im ländlichen Raum – randomisierte Interventionsstudie mit Vollerhebung. Nervensarzt 74 (Suppl. 2) (2003) 64 Leder, T. u. 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Bei allen Ausführungen handelt es sich um allgemeine Hinweise. |