Prof. Dr. med. Volker Faust Psychosoziale Gesundheit von Angst bis Zwang Seelische Störungen erkennen, verstehen, verhindern, behandeln |
FETISCHISMUSFetischismus ist die sexuelle Erregung und Befriedigung durch Ersatzobjekte. Meist sind es Bekleidungsstücke, aber auch andere Gegenstände. Mitunter sogar einzelne Körperteile. Fetischismus ist die sexuelle Erregung und Befriedigung durch Ersatzobjekte. Aus sexualmedizinischer Sicht zählt er zu den sogenannten sexuellen Variationen, die man einteilen kann in ungewöhnliche (abnorme) Sexualobjekte (zu denen der Fetischismus zählt) und ungewöhnliche (abnorme) Sexualpraktiken (z. B. Exhibitionismus, Sadismus, Frotteurismus). Meist bei Männern als heterosexueller oder homosexueller Fetischismus. Fetischistische Tendenzen können sich auch bei gehemmten Jugendlichen und Männern zu Beginn ihrer sexuellen Aktivitäten zeigen. Gelegentlich hat der Fetischismus auch forensische Bedeutung (Diebstähle, sehr selten Überfälle, Raub usw.). In weniger dominierender Ausprägung kann der Fetischismus auch in die übliche partnerschaftliche Sexualität eingebaut werden, z. B. wenn der Fetisch direkt oder indirekt zur Person des Partners gehört ("normales" Fetischisieren). KrankheitsbildAm häufigsten ist ein unbelebtes Fetisch-Objekt, meist ein Bekleidungsstück (Kleiderfetischismus: Wäsche, Strümpfe, Schuhe, Kleider, Schürzen, Stiefel, Regenmäntel, Handschuhe, Uniformen usw.). Aber auch andere Gegenstände wie Brillen, Taschentücher, Schmuck, Haarbürsten, Sicherheitsnadeln, Schnuller, Peitschen, Hosen. Nicht selten auch einzelne Körperteile (Haare, Fuß, Hand) und sogar Kunstglieder (Prothesen) sowie Perücken. Letztlich ist jeder Gegenstand möglich, sogar Haus- oder Fahrzeugteile usw. Oft existieren spezifische Anforderungen. Daraus resultieren verschiedene Unterteilungen des Fetischmismus. So gibt es "harte" und "weiche" Materialfetischisten. Harte Fetisch-Gegenstände sind beispielsweise aus Leder oder Gummi, weiche sind zart, gerüscht oder flaumig wie Reizwäsche, Pelze, Seidentücher u. a. Darüber hinaus müssen Kleider beispielsweise nass oder aufgeschlitzt, die Schuhe hoch glänzend oder matt, weich oder knarrend sein. Oft handelt es sich um eng einschnürende Bekleidungsstücke oder Schuhe. Auch gibt es sogenannte "negative" Fetischisten, die von einem nicht mehr vorhandenen Glied (s. o.) angezogen werden, bis hin zur sexuellen Erregung durch Verkrüppelung oder Amputation. Am häufigsten finden sich Leder-, Gummi- und Pelzfetischisten. Kleider sind besonders wichtig, und zwar weil sie 1. direkt mit dem Körper in Verbindung gebracht werden, was besonders jene Kleidungsstücke beliebt macht, die Formen und Teile des Körpers unterstützend abgrenzen (z. B. Büstenhalter, Strümpfe) und 2. weil es künstliche Objekte sind, die versetzt, gehortet und von einer Person an die andere weitergegeben werden können. Interessant ist aber nicht nur der Symbolgehalt bzw. die erotische Botschaft des Materials, sondern auch die Farbe (meist schwarz, das z. B. auf hellhäutigem Fleisch den stärksten Kontrast bildet). Fetischismus und ModeZwar ordnen moderne psychiatrische Klassifikationen (z. B. Das DSM-IV der Amerikanischen Psychiatrischen Vereinigung-APA) den Fetischismus unter "Störungen der Sexualität und Geschlechtsidentität" ein (was die Betroffenen nachvollziehbarer-weise verdriest, weil sie ihr Verhalten eher als eine zwar unorthodoxe, aber legitime Sexualvariante sehen), doch darf man auch nicht den Einfluss des Fetischismus auf die Mode unserer Zeit unterschätzen, die sich in den letzten 30 Jahren dem fetischistischen Stil-Empfinden zugewandt hat. Man kann schon fast von einer fetisch-inspirierten Mode sprechen, die ihren Weg von den Modeseiten der Magazine in die Geschäfte und damit auf die Straße gefunden hat. Dies allerdings nicht unter dem riskanten Überbegriff "Fetischismus", sondern unter "Glanzmode" oder auch nur ganz schlicht "körperbewusst" oder "sexy". Beispiele: hochhackige Juchtenlederstiefel, knie- oder schenkelhoch, geknöpft oder geschnürt, lederne Ganzkörperanzüge (Catsuit), mit oder ohne Korsettverschnürung, vom eindeutigen Tabu-Bruch ("Punk-style in revolt") bis zum anerkannten Modedesign mit reichhaltigen Accessoires-Zubehör unserer Tage. VerlaufIn seelisch/psychosozial grenzwertiger Form kommt der Fetischismus bei gehemmten Jugendlichen und Männern zu Beginn ihrer sexuellen Aktivitäten vor. Dann ist er meist vorübergehender Natur. Es sind aber auch schwere, fortschreitende Verlaufsformen möglich, die die Persönlichkeit nach Art einer suchtähnlichen Verfallenheit prägen - mit allen Folgen für den weiteren Lebenslauf. TherapieNur in schweren Fällen erwünscht und durchgeführt. Dann überwiegend Psychotherapie mit meist tiefenpsychologisch orientierten Behandlungsverfahren. LiteraturRelativ begrenzte Zahl wissenschaftlicher Publikationen und allgemeinverständlicher Beiträge. Grundlage vorliegender Ausführungen sind: Faust, V., E. Faust: Seelische Störungen. Kleines Psychiatrie-ABC für den Alltag. Teil III: F-G. Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft, Stuttgart 1998 Faust, V. (Hrsg.): Psychiatrie. Ein Lehrbuch für Klinik, Praxis und Beratung. G.Fischer-Verlag, Stuttgart, Jena, New York 1996 Faust, V., G. Kockott, C. Scharfetter: Psychiatrie in Stichworten: Psychopathologie 9. Enke-Verlag, Stuttgart 1999 (s. auch http://www.roche.de/depressionen |
Bei allen Ausführungen handelt es sich um allgemeine Hinweise. |