E. C. Hirsch:
DEUTSCH KOMMT GUT
Sprachvergnügen für Besserwisser
Verlag C. H. Beck, München 2008. 192 S., € 9,95.
ISBN: 978-3-406-56814-5
C. Gutknecht:
VON TREPPENWITZ BIS SAUREGURKENZEIT
Die verrücktesten Wörter im Deutschen
Verlag C. H. Beck, München 2008. 236 S., 21 Abb., € 9,95.
ISBN: 978-3-406-56833-6
J. Limbach:
HAT DEUTSCH EINE ZUKUNFT?
Unsere Sprache in der globalisierten Welt
Verlag C. H. Beck, München 2008. 112 S., € 14,90.
ISBN: 978-3-406-57234-0
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Die deutsche Sprache „verludert“, was aber keine aktuelle Klage ist, sondern eine Jahrhunderte alte Sorge. Ob zu Recht oder übertrieben, besonders wenn man die erwähnten Jahrhunderte vergleichend einbezieht, ist ein Thema von hohem Diskussions-Wert – Gott-sei-Dank. Was eines Tages daraus wird, ist schwer abzusehen. Schließlich gibt es nicht nur sträfliche Vernachlässigung, Ahnungslosigkeit und Gleichgültigkeit in der Mehrzahl der Bevölkerung, gesellschaftliche, wissenschaftliche und sogar politische Entwicklungen und Zwänge, sondern auch mahnende Stimmen, seit jeher. Sie schaffen sich zwar in der Allgemeinheit nur schwer Gehör (sind auch leider allzu oft inhaltlich und selber sprachlich zu hoch angesiedelt), doch dort, wo Lehre und schreibende Zunft zu Hause sind, d. h. in Schule, Studium, Aus- und Weiterbildung und nicht zuletzt in den Redaktionen, lassen sich noch Inseln mahnender Vernunft, ja sogar hie und da umgangs-sprachlichen Widerstands ausmachen. Was dabei herauskommt, wir wissen es nicht. Vielleicht sollten wir unseren eigenen Beitrag überdenken. Steter Tropfen… – und das an allen Ecken und Enden, es könnte etwas bringen. Denn am Schluss wird ein sprachlicher Kompromiss herauskommen (müssen), wie seit Jahrhunderten. (Interessant, dass selbst Sprach-Puristen in ihren Mahnreden, vor allem im Affekt, Begriffe unterlaufen, die vor noch gar nicht so langer Zeit aus anderen Sprachen übernommen wurden, was nebenbei – wie erwähnt – die Norm und kein Fehler ist; es bleibt am Schluss wohl wie stets die Frage der Dosierung, der modischen Überzogenheit und vor allem gedankenlosen Bequemlichkeit.)
Einige Verlage haben sich der Aufgabe verschrieben, die Diskussion um die deutsche Sprache am Leben zu erhalten, vielleicht sogar zu intensivieren. Das kann man wissenschaftlich tun (wie beispielsweise C.H. Beck in München) – oder unterhaltsam (wie beispielsweise erneut C.H. Beck). Letzteres könnte sogar noch mehr Erfolg haben, auf jeden Fall zum Nachdenken anregen. Dies besonders dann, wenn uns (selbst-)ironisch der Spiegel vorgehalten wird, in diesem Fall der Sprach-Spiegel. Dazu drei Neu-Erscheinungen, die es sich zu merken lohnt:
- Deutsch kommt gut – Sprachvergnügen für Besserwisser stammt aus der Feder von Eike Christian Hirsch, ehemals Hörfunk-Redakteur und heute freier Journalist, der auf diesem publizistischem Gebiet schon mehrfach erfreulich aufgefallen ist (z. B. Gnadenlos gut. Ausflüge in das neue Deutsch, 2007; Der Witzableiter oder Schule des Lachens, 2005 u. a.).
E.C. Hirsch ist bekannt für seine originellen Sprachbeobachtungen, die einerseits köstlich unterhalten, andererseits zum konstruktiven Grübeln zwingen. So bringt er auch in diesem Buch eine Fülle von Beispielen, wie sich nicht nur immer mehr Fremdwörter einschleichen (vor allem natürlich Anglizismen), sondern auch die Sprache von der Syntax, vom Satzbau her ändert: „Wir gehen massiv nach vorn“ (Wirtschaftsbosse) oder „Ich sage eines ganz klar…“ (Politiker), vom „Jugend-Deutsch“ ganz zu schweigen. Dabei bringt der Autor viele kleine „Psychologismen“ mit ein (jeder mag sich auch bei dieser Buchbesprechung seinen Teil denken…), was das Buch auf vielfältige Weise ergiebig macht. Es ist nicht nur amüsant, es ist auch lehrreich auf mehreren Ebenen. Und um den Untertitel aufzugreifen: „Besserwisser“ sind nicht nur unerträgliche „Oberlehrer-Karikaturen“, sie wissen eben auch vielfach mehr, sie können es damit auch besser – und sie sollten es durchaus öfter „zum Thema machen, damit wir das Problem der Sprachzerfalls endlich stemmen können…“
- Seit langen Jahren semantisch hilfreich, d. h. die Bedeutung der sprachlichen Zeichen und Wörter erläuternd, ist Christoph Gutknecht, bis 2007 Professor der Linguistik, d. h. der modernen Sprachwissenschaft an der Universität Hamburg; seitdem freier Publizist und Autor einer wachsenden Reihe bekannter und in mehreren Auflagen erschienenen Bücher zu ähnlichen Themen: Lauter Worte über Worte, 1999; Ich mach’s dir mexikanisch - Lauter erotische Wortgeschichten, 2004; Pustekuchen - Lauter kulinarische Wortgeschichten, 2005; Lauter blühender Unsinn - Erstaunliche Wortgeschichte von Aberwitz bis Wischiwaschi, 2003; Lauter böhmische Dörfer - Wie die Wörter zu ihrer Bedeutung kamen, 2004 (7. Auflage!); Lauter spitze Zungen - Geflügelte Worte und ihre Geschichte, 2001 u. a.).
Was bringt nun der Autor in seinem neuesten Buch Von Treppenwitz bis Sauregurkenzeit – Die verrücktesten Wörter im Deutschen? Dieses Buch ist nicht ganz so leicht zu lesen wie Deutsch kommt gut, man spürt den Professor, den Wissenschaftler und seine Arbeitsweise auf jeder Seite. Auch das Literaturverzeichnis (benutzte und weiterführende Werke) spricht Bände, desgleichen das Personenregister (alles übrigens beispielhaft hilfreich). Trotzdem ist auch dieses Buch von Gutknecht eine Fundgrube. Denn es gibt gerade im Deutschen zahlreiche Wörter, die man nur schwer etymologisch herleiten kann; die meisten haben im Laufe der Geschichte ihre Bedeutung verändert. Ohne entsprechende Kenntnisse der Kulturgeschichte kommt man kaum mehr darauf, wovon ursprünglich die Rede gewesen sein soll. Dieses Buch geht vor allem den Wandlungen der Sprache nach. Da gibt es amüsante, auf jeden Fall ausgefallene, aber auch „ärgerliche“, oft vor allem schlichtweg verrückte bis deftige Wortschöpfungen.
Für Letzteres ein kleines Beispiel mit der vorauseilenden Bitte um Nachsicht: „Wenn der Arsch auf Grundeis geht“. Ist das die typische Vulgär-Sprache unserer Jugend? Mitnichten. Schon vor 150 Jahren konnten sich die Bürger teils schockiert, teils belustigt an derlei ergötzen. Ein Gedicht von damals – man glaubt es kaum – „wurde deshalb prägend für eine uns heute wohlbekannte, allerdings von der kommunikativen Ebene her immer noch als verhältnismäßig derb bis vulgär empfundene, vollidiomatische, nicht dekompensierbare, eher der Jugendsprache zuzuordnende Redensart“, so der Autor. Und er belegt alles mit entsprechenden Zitationen, von 1864 bis zu aktuellen Sportberichten. Wieder ein erfolgreiches Buch, das kann man jetzt schon voraussehen. Es möge nicht der letzte Streifzug des bekannten Linguistik-Professors durch die deutsche Kultur- und Sprachgeschichte sein.
- Hat Deutsch eine Zukunft? fragt im dritten Band Jutta Limbach und beschäftigt sich mit unserer Sprache in der globalisierten Welt. Frau Professor Dr., Dr. h.c. mult., J. Limbach war frührer Präsidentin des Bundesverfassungsgerichts in Karlsruhe und später Präsidentin des Goethe-Instituts InterNationes. Bei C.H. Beck schrieb sie über das Bundesverfassungsgericht sowie die Demokratie und ihre Bürger und zusammen mit dem ehemaligen Bundespräsidenten R. Herzog über die deutschen Verfassungen. Jetzt geht es ihr um die „Regionalsprache“ Deutsch in der Europäischen Union, in der zwar 51% englisch sprechen, an zweiter Stelle aber 32% deutsch, gefolgt von französisch (26%) und spanisch (15%) – bei offiziell 20 Sprachen europa-weit.
Jutta Limbach hat sich nicht zuletzt als Präsidentin des Goethe-Instituts mit Spracherwerb und Sprachkultur befasst. Ihre Schlussfolgerung und Empfehlung:
Die deutsche Sprache ist lebendig wie eh und je. Ihr Wortschatz wird nicht verkümmern, sie ist nicht von fremden Einflüssen ernsthaft bedroht. Kauderwelsch ist zwar an der Tagesordnung, doch wegen dieser Seitensprünge und Mischlinge wird sie nicht dahinwelken. Wir sollten mehr Gelassenheit zeigen und das Wort des Paulus beherzigen: „Prüfet alles und behaltet das Gute!“. Vor allem sollten wir uns hüten vor „Deutschtümeleien, Anglizismen-Allergie und Widerwillen gegen multikulturellen Sprachmix und nicht dem ewigen „Verfall-Gerede auf den Leim gehen“. Wir haben kein Qualitäts-, eher ein Mengen-Problem. Noch nie – so ihr Credo – ist nämlich in deutschen Landen ein so gutes Deutsch von einer so großen Zahl von Menschen geschrieben und gesprochen worden. Martin Luther und Johannes Gutenberg hätten ihre Freude an dem Fortwirken ihrer Großtaten, selbst wenn nicht jedes erstandene Buch auch gelesen wird. Und zur Mehrsprachigkeit in einer globalisierten Welt: Die Legende vom Turm zu Babylon wollte Hochmut bestrafen, nicht aber die Vielsprachigkeit in kultureller Vielfalt auf Erden. „In vielen Zungen zu reden, verspricht intellektuellen Gewinn. Hätten wir auf Erden nur eine Sprache, wir hätten uns bald nichts mehr zu erzählen“, beschließt Frau Professor Limbach ihr Plädoyer für unsere Muttersprache (VF).
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