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ZUM THEMA: AUTISMUS

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Vera Bernard-Opitz:
KINDER MIT AUTISMUS-SPEKTRUM-STÖRUNGEN (ASS)
Ein Praxishandbuch für Therapeuten, Eltern und Lehrer
Verlag W. Kohlhammer, Stuttgart 2007. 266 S., € 39,90.
ISBN 978-3-17-019834-0

Der Autismus ist so alt wie die Menschheit. Diese Formulierung findet sich zwar in dieser Serie öfter, aber nun ist es einmal so: Nichts ist neu in der alten Seelenheilkunde und modernen Psychiatrie, mit Ausnahme der Nebenwirkungen der Psychopharmaka des letzten halben Jahrhunderts. An dieses „nichts ist neu“ sollte man sich aber auch erinnern, wenn wieder einmal etwas Spektakuläres über uns hereinbricht, scheinbar Spektakuläres. Das meiste ist nämlich wieder entdeckt oder – noch erfreulicher – durch fleißige Forschung gezielter erkennbar, konkreter diagnostizierbar und vor allem erfolgreicher zu behandeln.

So auch der Autismus, vor dem man früher kapitulieren musste, hilflos, resigniert, ja hoffnungslos und letztlich tief traurig machend, was vor allem die Angehörigen anbelangt. Was hat sich nun getan in den letzten Jahren und was wissen wir zu Klassifikation, Diagnose und Therapie Neues?

Darüber gibt es inzwischen aus der (meist englischsprachigen) Weltliteratur eine fast nicht mehr überblickbare Fülle von Veröffentlichungen, von den hoch-komplizierten Publikationen über Fachbücher bis zu populär-medizinischen Hilfen einschließlich fundierter Sachbücher. Und – natürlich – eine überraschend große Zahl von Internet-Beiträgen, deren Web-Seiten auch offenbar häufig und gründlich genutzt werden. Weitere Einzelheiten zu diesem Thema siehe das ausführliche Kapitel in dieser Serie. Nachfolgend nur eine Kurzfassung auf der Grundlage der 2. aktualisierten und erweiterten Auflage von Frau Prof. Dr. Vera Bernard-Opitz, Klinische Psychologin und Verhaltenstherapeutin, anerkannte Expertin auf diesem Gebiet, weltweit tätig und vor allem Verfasserin zahlreicher Publikationen, die sich insbesondere mit gezielten Behandlungs-Programmen beschäftigen.

Es ist noch nicht lange her, konkret etwa drei bis vier Jahrzehnte, da stand man dem Autismus praktisch hilflos gegenüber. Das hat sich geändert und ist vor allem erfreulich, denn es hilft zahlreichen Betroffenen, von ihren Angehörigen, Freunden, Nachbarn und Mitarbeitern ganz zu schweigen. Tatsächlich soll vor allem der frühkindliche Autismus in den letzten zehn Jahren erheblich zugenommen haben. Vor rund 40 Jahren ging man noch von dem Verhältnis 4 : 10.000 aus, heute sollen es etwa 200% mehr sein, d. h. 1 : 1.000. Das kann dann natürlich zum einen auf eine verbesserte Diagnose, zum anderen aber auch auf eine reale Zunahme zurückgehen. Letzteres scheint etwas für sich zu haben, so die Experten.

Dabei liegt die Erstbeschreibung des frühkindlichen Autismus erst wenig mehr als 60 Jahre zurück und verbindet sich mit den Namen von L. Kanner und vor allem H. Asperger, mit dem sich inzwischen eine Sonderform des Autismus beschäftigt, die gerade in letzter Zeit besondere Aufmerksamkeit auf sich gezogen hat (s. o.). Wie auch immer, Autismus gilt als schwerwiegende Störung, die weite Bereiche der kindlichen Entwicklung und damit letztlich des gesamten Lebensverlaufs trifft, ausgedrückt in dem englischen Fachbegriff: Pervasive Developmental Disorder.

Außerdem spricht man heute nicht mehr vom Autismus allein, sondern von den so genannten Autismus-Spektrum-Störungen (ASS), was verdeutlichen soll, dass es sich um ein Kontinuum von Symptomen und Schweregraden handelt, gleichsam von links (leicht, kaum zu merken) bis rechts (schwer beeinträchtigend).

Das Problem ASS ist bei verschiedenen Kindern unterschiedlich ausgeprägt und vor allem verändert es sich offenbar bei ein und demselben Kind im Laufe seiner Entwicklung. Es gibt scheinbar kein einziges Verhalten, das immer wieder auftritt und keines, das Kinder automatisch von einer Autismus-Diagnose ausschließt, gibt die Autorin zu bedenken.

Andererseits lassen sich klare Gemeinsamkeiten erkennen, vor allem bestimmte soziale Auffälligkeiten, die auf Wahrnehmungsstörungen, Kommunikations-Beeinträchtigungen, Defizite im Sozialverhalten sowie das jeweilige Intelligenzniveau zurückgehen. Oder Frau Prof. Bernard-Opitz mit einem Vergleich aus dem Alltag: „Ein Mensch mit Autismus kann ein selbstständig lebender Arbeiter, Angestellter, frei schaffender Künstler oder Akademiker sein, er kann aber auch ein Mensch sein, der nicht sprechen kann, nie gelernt hat, sich selbst zu versorgen und der lebenslange Hilfe benötigt.

Wo aber liegen nun die Gemeinsamkeiten (und damit der Schlüssel zur erfolgreichen Intervention, vor allem was die spezifischen Verhaltensauffälligkeiten anbelangt)?

Als Erstes die wichtigsten Untergruppen. Unter den Autismus-Spektrum-Störungen fasst man zusammen:

  • frühkindlichen Autismus
  • Asperger-Syndrom
  • Rett-Syndrom
  • Desintegrations-Störungen
  • Unspezifische Entwicklungsprobleme

Im deutschsprachigen Bereich spricht man beim Autismus derzeit von „tiefgreifenden Entwicklungsstörungen“ (laut ICD-10 der Weltgesundheitsorganisation – WHO). Das dürfte sich ändern, denn man passt sich den Angelsachsen an, und wird so also irgendwann den Begriff „Autismus-Spektrum-Störungen (ASS)“ übernehmen.

Als typische Variante gilt der frühkindliche Autismus (auch als Kanner-Syndrom nach seinem Erstbeschreiber 1943 benannt). Eine leichtere Variante ist das Asperger-Syndrom (nach seinem Erstbeschreiber 1944 bezeichnet und vor allem durch einen Film bekannt geworden, nämlich Rain Man“ mit dem unvergesslichen Dustin Hoffmann). Dagegen sind das Rett-Syndrom und die Desintegrationsstörungen eher selten (und werden deshalb oft auch gesondert erwähnt, gehören aber nach wie vor zu dieser Gruppe).

Wie diagnostiziert man ein ASS?

Die Diagnose obliegt den dafür spezialisierten Experten, nämlich Psychologen, Psychiatern oder Neurologen, nicht zuletzt um auch differentialdiagnostisch sicher zu gehen (was könnte es sonst noch sein, z. B. Hospitalismus, Enzephalitis (Hirnentzündung), frühkindliche Schizophrenie, geistige Behinderung, Wahrnehmungsstörungen u. a.).

Als Erstes wird wohl die mehr oder weniger bekannte autistische Störung aufhorchen lassen: Auffälligkeiten im Sozialverhalten, in der Kommunikation und Sprache sowie bestimmte Stereotypien (krankhafte ständige Wiederholungen von Bewegungen oder Wörtern) oder dem Wunsch nach immer dem Gleichen.

Dann geht es um Entwicklungsstand und Intelligenz: normal oder verzögert, spezifische Defizite und Fähigkeiten (siehe später!) und Intelligenzprofil.

Schließlich die Frage: Gibt es Zusatzprobleme wie z. B. organische Auffälligkeiten beim Hören und Sehen, ferner Schlaf- oder Essens-Probleme, Aufmerksamkeitsstörungen oder Bewegungs-Auffälligkeiten u. a.

Und schließlich: frühe Anzeichen, vor allem Warnhinweise, wie sind die Heilungsaussichten, wo liegen Defizite und Fähigkeiten und nicht zuletzt Familiengeschichte, Geschwisterposition, Erziehungsstil und andere Aspekte des sozialen Umfeldes.

Frühe Anzeichen

Wichtig, mitunter sogar entscheidend für das rechtzeitige diagnostische und vor allem therapeutische Eingreifen ist die Kenntnis früher Anzeichen für ASS. Beispiele: Während normale Babys bereits im Alter von drei Monaten Blickkontakt aufnehmen und ihren „Partner“ anlächeln, fehlen diese ersten Kommunikationszeichen meist bei Kleinkindern mit autistischem Verhalten. Dann folgen vor Ende des ersten Lebensjahres schon besorgniserregende Merkmale wie das Ausbleiben der Blickverfolgung einer Person, fehlende Blicksuche bei überraschenden oder beängstigenden Situationen, Nicht-Beachten, dass jemand auf etwas zeigt und mangelnde eigene Gesten. Letzteres ist besonders aufschlussreich, nämlich der Umstand, dass Autismus-Kleinkinder keine Zeige-Gesten haben und speziell nicht zeigen, um auf etwas aufmerksam zu machen. Andere Kinder wiederum können zwar zeigen, aber benutzen die Zeige-Geste nur, wenn sie etwas wollen.

Danach kommen die schon konkreteren Klagen der Eltern, nämlich, dass ihr Kind „in einer eigenen Welt lebt“, mit sich selbst zufrieden ist und ohne erkennbaren Anlass lacht und weint (Letzteres mitunter stundenlang, ohne getröstet werden zu können). Dann irritieren auch das mangelnde Interesse an anderen Kindern, ganz zu schweigen von Erwachsenen, die fehlende Nachahmung und das Ausbleiben von Sprache und normalem Spiel.

Definitionsgemäß muss das Krankheitsbild vor dem Alter von 36 Monaten auftreten, wobei der Höhepunkt der Auffälligkeiten meist zwischen dem dritten und fünften Lebensjahr liegt.

Wie diagnostiziert man einen Autismus?

Die Diagnose wird also nach Beobachtung und Fragebogen-Erhebungen durchgeführt. Für beides gibt es ein umfangreiches Arsenal von fundierten Hilfen, insbesondere ausführliche Check-Listen. Vor allem fünf Verhaltensweisen sind es, durch die mit großer Wahrscheinlichkeit eine autistische Behinderung festgestellt werden kann, nämlich:

Beschäftigt sich das Kind mit einem imaginativen Spiel, also tut so, als ob es mit etwas spielt, was gar nicht vorhanden ist? Zeigt es jemals auf einen Gegenstand, um auf etwas Interessantes hinzuweisen (oder nicht)? Folgt es dem Zeigefinger, wenn man auf etwas Interessantes im Raum zeigt`? Sieht es dabei den Gegenstand an oder nur die zeigende Hand? Sieht das Kind sowohl den Zeigenden als auch den Gegenstand, der gerade gezeigt wird? Kann das Kind beispielsweise mit Puppengeschirr so tun, als ob es Tee zubereitet, eingießt, trinkt u. a.?

Natürlich ist das kein ausreichendes Diagnose-Instrument; es braucht eine detaillierte fachspezifische Ergänzung. Dazu gehören Autismus-Diagnose-Interviews mit entsprechenden Beobachtungs-Hinweisen. Sie konzentrieren sich vor allem auf Auffälligkeiten im zwischenmenschlichen Bereich und Spielverhalten. Beispiele: Blickkontakt, Anlächeln, imaginatives Spiel (tut so, als ob – s. o.), Nachahmung, Freundschaft mit Gleichaltrigen, gemütsmäßiges Eingehen-Können auf andere u. a.

Wichtig sind auch die erwähnten Auffälligkeiten in der Kommunikation wie Zeige-Gesten, Nicken, Kopf schütteln, eine Sprache, die sich durch auffällig viel Echolalien auszeichnet (d. h. automatisches, sinnloses Nachsprechen von Wörtern) oder auch die Fähigkeit bzw. Unfähigkeit sich zu unterhalten.

Ein dritter Bereich betrifft wiederholendes und stereotypes Verhalten sowie eingeschränkte Interessen. Hier geht es vor allem um ungewöhnliche Vorlieben, zwanghafte Routinen, sprachliche Rituale, stereotype Bewegungen und Wahrnehmungsauffälligkeiten.

Vor allem der letzte Begriff dürfte auf Verständnis-Schwierigkeiten stoßen. Deshalb dazu einige kurze Hinweise aus dem Buch von V. Bernard-Opitz:

Wahrnehmungs-Auffälligkeiten

Wahrnehmungsstörungen (oft auch noch mit zwanghaften Verhaltensweisen kombiniert) finden sich bei ASS in allen Intelligenz-Stufen, haben also damit nichts zu tun. Es geht vielmehr beispielsweise um die Frage, ob man sich fühlen kann (deshalb mitunter sogar starke Selbstverletzungen) oder nicht. Aber auch das Gegenteil ist bekannt, nämlich eine Überempfindlichkeit (wobei man nicht einmal mehr ein T-Shirt zu ertragen vermag, weil einem der Stoff-Kontakt schon zu viel ist). Wieder andere sind so schmerzunempfindlich, dass selbst Frakturen nicht registriert und gestanden werden. Dann kommt es wieder zur Vermeidung von bestimmten Nahrungsmitteln oder gar fester Nahrung, andererseits zum Genuss von Ungenießbarem. Auch bei Gerüchen können extreme Über- und Unterempfindlichkeiten beobachtet werden. Manche ASS-Kinder schnüffeln an geruchlosen Gegenständen, anderen ist die normale Geruchswelt schier unerträglich. Oder die Lautstärke: Von nicht ertragbarer Lautlosigkeit bis zu unfassbaren Lautstärken (oft sogar bei ein und derselben Person wechselnd).

Entwicklungsstand und Intelligenz

Wichtig sind auch Entwicklungsstand und Intelligenzprofil, die in jedem Therapieplan berücksichtigt werden müssen. Der frühkindliche Autismus ist in acht von zehn Fällen durch eine deutliche Intelligenzminderung gekennzeichnet. Dem gegenüber weisen Kinder mit Asperger-Syndrom meist eine normale, ja überdurchschnittliche Intelligenz auf, wozu auch noch besondere Spezialisierungen gehören können.

Welche zusätzlichen psychiatrischen und neurologischen Krankheiten sind zu beachten?

Von ähnlichen Störungen wurde bereits berichtet, d. h. eine gezielte Differentialdiagnose muss ausschließen, dass eine falsche ASS-Diagnose unterläuft. Es gibt aber auch noch das Phänomen der Co-Morbidität, also wenn eine Krankheit zur anderen kommt.

Die Mehrzahl der ASS-Kinder hat unspezifische hirnorganische Auffälligkeiten, was beispielsweise auch zu epileptischen Anfällen disponiert. Weitere Zusatzprobleme sind Depressionen, Ängste, Schlafstörungen, die Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitäts­störung, vor allem mit dem Schwerpunkt reine Aufmerksamkeitsdefizitstörung (ADS), ferner Hyperaktivität, das Tourette-Syndrom (siehe das spezifische Kapitel in dieser Serie) und Zwangsstörungen.

Oft zeigen besonders Kinder mit Asperger-Syndrom mehr Depressionen und Angstverhalten als andere, was vor allem verhaltenstherapeutisch, ggf. auch medikamentös abgefangen werden sollte. Ähnliches gilt für die anderen „Neben-Erkrankungen“. Auch Hör-, Seh- und Gefühls-Störungen gilt es rechtzeitig zu erkennen und zu therapieren, d. h. Sprach-, Beschäftigungs- und Moto-Therapie. Vestibuläre Störungen (Gehörfunktion) liegen in den meisten Fällen bei jenen Kindern vor, die sich andauernd drehen, springen oder klettern, aber auch Angst bei Lageveränderungen oder Probleme mit der Balance haben. Manche Kinder wehren sich in die Luft geworfen zu werden, zu schaukeln oder sich auch nur zu drehen. Umgekehrt aber können ASS-Betroffene selbst gegenteilige Probleme bereiten, z. B. wenn sie ihren Händedruck nicht zu dosieren vermögen und andere das als unangenehm oder gar schmerzhaft empfinden.

Heilungsaussichten

Für die Prognose eines ASS ist erst mal die Intensität des autistischen Beschwerdebildes bedeutsam und ob die mit ihr verknüpften Alltags-Probleme überhaupt therapierbar sind. Entscheidende Kriterien sind aber auch das Entwicklungsniveau des Kindes, ob es vor fünf Jahren bereits eine funktionale Sprache entwickeln konnte, ob ein Anfallsleiden besteht und wie sich die schulischen und familiären Umstände darstellen.

Im Allgemeinen ist eine leichte autistische Störung günstig zu beurteilen, vor allem, wenn normale Intelligenz, funktionale Sprachfähigkeit, intensive Förderung zwischen zwei und vier Jahren und Unterstützung durch Therapeuten, Lehrer und Familienmitglieder garantiert sind (z. B. finanzielle Situation, Förderungsangebote, Optimismus).

Wichtig ist auch etwas ganz einfaches, was aber gerne übersehen wird. Selbst wenn die Ausgangs- und Rahmen-Bedingungen nicht optimal sind, sollten im familiären, sozialen und therapeutischen Umfeld nicht die Schwächen, sondern die Fähigkeiten betont und gestärkt werden. So ist es weitaus bedeutsamer, ein Kind darin zu bestärken, komplexe Puzzle zu lösen, andere Kinder nachzuahmen, sich spontan mitzuteilen u. a. als mit endlosen Listen seines Nicht-Könnens alle Beteiligten zu entmutigen. Das positive Denken seiner Eltern hat einen entscheidenden Einfluss auf seine Zukunft.

Deshalb müssen auch Eltern, Geschwister und andere Angehörige aufgeklärt, gestützt und gefördert werden. Dies gilt auch für Gleichaltrige im Umfeld, denn das Spielen mit anderen Kindern, informiert und über die Defizite des ASS-Kindes aufgeklärt, ist in vielen Fällen hilfreicher als so manche etwas theorie-belastete Maßnahme oder gewisse „Allheilmittel“, die zwar gerne empfohlen, aber wissenschaftlich nicht haltbar sind (s. u.).

Was ist zu tun?

Früher wurden Kinder mit „frühkindlichem Autismus“ schlichtweg als unheilbar eingestuft. Etwa 5% hatten eine normale Entwicklung zu erwarten, die Mehrheit musste ihr Leben in Einrichtungen der Behindertenhilfe u. ä. verbringen. Das hat sich gründlich geändert – zum Vorteil aller Beteiligten.

Doch die Suche nach einer generellen Lösung, vor allem einem „Allheilmittel“ hat insbesondere in der populärwissenschaftlichen Literatur oft zu Schlagzeilen geführt, die zwar Hoffnungen wecken, aber keine Erfolge garantieren.

Das trifft – so Frau Prof. V. Bernard-Opitz – sowohl für die ursprüngliche Annahme der so genannten „Kühlschrank-Eltern“ wie für die später propagierten „Kuschel-Pädagogik“, Festhalte-Therapie, gestützte Kommunikation u. a. zu. Ähnliches gilt für das Schwimmen mit Delphinen, das therapeutische Reiten, Musik, so genannte Pränatal-Räume und ähnlich „ganzheitliche Ansätze“ mit vielleicht kurzfristigen Placebo-Effekten, aber ohne nachweisbare Dauer-Einflüsse.

Was bleibt nun aber? Hier liegt der Schwerpunkt des Buches von Frau Bernard-Opitz: mehr als 200 Seiten von 264. Ein Praxis-Handbuch, das sich auf den aktuellen und vor allem internationalen Wissensstand bezieht, anschaulich geschrieben, vor allem mit einer Fülle von konkreten Schritten zum Abbau von Verhaltensproblemen und zur Entwicklung kognitiver (geistiger), sozialer und kommunikativer (zwischenmenschlicher) Fähigkeiten. Ausführlich die Übungs-Sequenzen mit etablierten Trainingsmethoden (z. B. Präzisionslernen, diskretes Lernen, TEACCH, erfahrungsorientiertes Lernen u. a.), was sich – und das ist besonders wichtig – auch zu Hause und in der Familie praktizieren lässt.

Ein interessantes Buch, ein Standardwerk, wie es die Fachkollegen neidlos anerkennen müssen, wobei uns vor allem eines wichtig erscheint, wie es die Autorin auch immer wieder betont: Möglichst früh die fachliche Hilfe entsprechend geschulter Experten suchen, die einen dann auch konkret unterstützen können, was die jeweiligen Defizite des eigenen ASS-Kindes anbelangt.

Den Experten wird dieses Fachbuch ohnehin bekannt sein, wobei die zweite aktualisierte und erweiterte Auflage noch mehr Gewinn verspricht. Auch den betroffenen Laien, vor allem Eltern, kann es weiterhelfen, wobei natürlich eine fachliche bzw. therapeutisch geleitete Auswahl von besonderem Nutzen ist (VF).

Bei allen Ausführungen handelt es sich um allgemeine Hinweise.
Bei persönlichen Anliegen fragen Sie bitte Ihren Arzt.
Beachten Sie deshalb bitte auch unseren Haftungsausschluss (s. Impressum).