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R. Rupprecht, H. Hampel (Hrsg.):
LEHRBUCH DER PSYCHIATRIE UND PSYCHOTHERAPIE
Ihr roter Faden durch das Studium nach der neuen ÄAppO
Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft, Stuttgart 2006, 617 S., 46 Abb., 103 Tab.,
€ 59,00. ISBN 3-8047-2053-6

Es ist schon eine faszinierende Entwicklung, die die beiden Psycho-Fächer Psychiatrie und Psychologie in den letzten Jahrzehnten gemacht haben. Ältere Kollegen erinnern sich noch sehr wohl an die resignierten Seufzer der "Großen ihres Faches", die die allgemeine und wissenschaftliche Unterbewertung beklagten ("kleine, verdrießliche Disziplinen"). Das hat sich geändert, und wie: Die Psychologie ist vor allem zu einem nicht mehr übersehbaren Wissenschafts-Faktor geworden (während der therapeutische Sektor noch oft um eine adäquate Position zu ringen scheint); die Psychiatrie könnte vom reinen Bedarf her das "Fach der Zukunft" werden (und beginnt nicht zuletzt durch Unterstützung der Neuro-Wissenschaften immer häufiger auf sich aufmerksam zu machen). Wer übrigens daran zweifelt, dass seelische Störungen ins Zentrum des allgemeinen Interesses zu rücken beginnen, der informiere sich lediglich über die "gesamtwirtschaftliche Situation", der ja heute mehr Bedeutung zugemessen wird als allen anderen Aspekten. Kurz: Die Seele hat Konjunktur, und hier vor allem die kranke Seele. Die Psycho-Fächer sind gefordert.

Und so kann es nicht ausbleiben, dass auch die Lehre gewaltig anzieht. Das war nicht immer so. Ältere Psychiater - nochmals: der Vergleich sei erlaubt, nur durch die zeitliche Berücksichtigung kommt man zu konkreten Verlaufs-Beurteilungen -, erinnern sich lediglich an ein bis zwei führende Lehrbücher und ein halbes Dutzend Fachzeitschriften im deutschsprachigen Bereich. Heute stehen mehr als 30 Lehrbücher zur Verfügung und die Fachzeitschriften kann man zwar zählen, doch die Summe stimmt nach kurzer Zeit bereits nicht mehr, Tendenz steigend. Ist das alles sinnvoll? Das Pro und Contra ist bekannt, der Interessent hat jedenfalls eine reiche Auswahl und Konkurrenz belebt offenbar auch hier das Geschäft.

Wer allerdings heute mit einem Lehrbuch auf dem Markt kommt, muss sich etwas Neues einfallen lassen oder Altes, Bewährtes zu einem überzeugenden Konzept neu gestalten. Am besten man lernt von den Nachteilen der Vorgänger und nutzt ihre Erfolgsschienen.

Ein solches Konzept legt jetzt die Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft Stuttgart mit ihrer Reihe "Roter Faden" vor, wobei als Erstes auch die Psychiatrie und Psychotherapie mit 39 Autoren zu ihrem Recht kommt. Angesprochen wird vor allem der Student, der erfahrungsgemäß sein Lehrbuch dann auch später bevorzugt zu Rate zieht. Deshalb auch der spezifische Lese- und Lernweg durch dieses Buch, das dann aber später auch über verschiedene praxisbezogene Zugänge weiterhilft. Das ist konventionell möglich und sinnvoll (Systematik der wichtigsten psychischen Krankheitsbilder hinsichtlich Diagnose und Therapie). Erleichtert wird dies durch vorangestellte Editorials (Überblick über die wichtigsten Aspekte), Fallbeschreibungen (typische Krankheitsfälle in Kurzform), einen Marginaltext (Extrahierung der im laufenden Text angebotenen Informationen in einer Randspalte) sowie Wiederholungsfragen am Ende des jeweiligen Kapitels.

Mehr geht nicht. Das Gleiche gilt für den Inhalt, der praktisch nichts auslässt, einschließlich neuerer Leidensbilder und Krisengebiete (z. B. ADHS). Wie in jedem Lehrbuch gibt es Schwerpunkte, was den zugestandenen (oder vom Kapitel-Autor gelieferten) Inhalt, Stil und Umfang anbelangt. So wird beispielsweise die Randspalte sehr unterschiedlich genutzt, von der instruktiven Kurzfassung bis zum Leer-Raum, aber das ist ein Problem, das schon vorangegangene Lehrbücher nicht befriedigend zu lösen wussten.

Generell aber kann man mit dem Informationsangebot durchweg zufrieden sein. Das Layout entspricht in seiner "gestalterischen Vielfalt" dem, was der moderne (junge) Mensch ohnehin am PC kennt. Heute wird eben "Daten-Dichte" und nicht "Lese-Fluss" verlangt, und dem kommt dieses Lehrbuch auch entgegen. Die weiterführende Literatur ist in der Mehrzahl der Kapitel erstaunlich "deutsch-freundlich", da können andere Lehr-Bücher mit ihrer überzogenen "Anglo-Manie" durchaus etwas lernen. Das Sachverzeichnis ist ausreichend, der Preis "selbstbewusst" (es ist aber auch in der Tat ein "schönes" Lehrbuch), aber fair.

Insgesamt also ein interessantes Angebot auf einem schon bisher vollen bis gesättigten Markt. Die geschickt arrangierte Lehr-Kombination wird es im laufenden Verdrängungs-Wettbewerb wohl eine führende Stellung einnehmen lassen. In den zu erwartenden Neu-Auflagen (nicht zu unterschätzender Aspekt: relativ junges Autoren-Team) kann man sich dann auch gezielter an Entwicklungen anpassen, die gerade in letzter Zeit immer schneller und fachspezifischer von den modernen Lehrbüchern eine früher nicht gekannte und auch nicht bewältigbare Flexibilität verlangen. Das Psychiatrie-Lehrbuch aus der Wissenschaftlichen Verlagsgesellschaft Stuttgart wird dabei sein (VF).

Bei allen Ausführungen handelt es sich um allgemeine Hinweise.
Bei persönlichen Anliegen fragen Sie bitte Ihren Arzt.
Beachten Sie deshalb bitte auch unseren Haftungsausschluss (s. Impressum).