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M. Vec u. Mitarb. (Hrsg.):
DER CAMPUS-KNIGGE
Verlag C.H. Beck, München 2006. 240 S., € 16,90.
ISBN 3-406-55062-2

Köstlich, köstlich und u. W. in dieser Form noch nicht verfügbar: ein Lexikon des universitären Lebensraums. Und der ist - der eine ahnt es, der andere weiß es -, von besonderer Eigenart, um nicht zu sagen Skurrilität. Die hübschesten Blüten sind natürlich die unbekannten, geheimen, zumindest aber unverständlichen. Und die überdauern, wenn auch in wechselnder Ausprägung und Gebräuchlichkeit; die einen kommen, die anderen gehen, aber grundsätzlich stimmt es schon: An der Universität ticken die Uhren anders. Darüber ist viel geredet und geschrieben worden, vom Weihrauch bis zur Lästerzunge. Aber so schön komprimiert, vor allem fundiert und ironisch zugleich, das gab es bisher noch nicht, jedenfalls nicht in deutscher Sprache. Die lockere Feder ist dabei nur das Sahnehäubchen, denn auf diese Weise bekommt man auch die (bisweilen betrübliche) Realität mit, verdaulich dargeboten. Wer aber kritisiert, damit sei der fachliche Inhalt konterkariert, der werfe nur einen Blick auf die Autorenliste - und verstumme. Die kann sich sehen lassen, das ist eine regelrechte "intellektuelle Sturzflut". Die Herausgeber sind übrigens Mitglieder der Arbeitsgruppe "Manieren!" der Jungen Akademie an der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften und der Deutschen Akademie der Naturforscher Leopoldina.

Doch das soll den Eindruck nicht erzwingen, den man nach den ersten Zeilen ohnehin hat. Schon die Stichworte sprechen für sich: Abschreiben, Aufhübschen, Berufungsverfahren, Bürstenkurs, Einzelschreibtischforscher, Exzellenzcluster, Festschriftendruckkostenzuschussversicherung(!), Feuilletonwissenschaftler, Gackern, Geistesnähe, Ghostwriter, Globalesisch, HiWi, Interlaus, Knödeldiagramm, Professorengattin, Rattenopfer, Rezensionsethik, Riesenburger, Sammelfußnote, Schnippelkurs, Schwerstbegabte, Silberrücken, Vorsingen, Weltfremdheit, Wiederkäuen, Zweitgutachten u.a.m.

Eine Wiederholung zum Schluss: köstlich, köstlich (wenn auch manchmal bitter bis gallig), vor allem aber fundiert, inhaltsreich, eine "geistvolle Leckerei" (der Verdacht des Lesers ist berechtigt: der Rezensent ist infiziert...). So etwas sollte man sich leisten, es informiert, erbaut, wird mit gezielten Hintergedanken an andere verliehen (und kommt dann auch nicht mehr zurück) - und ist deshalb ein ideales Geschenk(chen), nicht zuletzt für diejenigen, die unter ihrer "geliebten Universität gelitten haben" (VF).

DER CAMPUS-KNIGGE ZUM THEMA ABSCHREIBEN*

Abschreiben: Abschreiben gibt es nicht erst seit der Internet-Tastenkombination Strg+C Strg+V, der ganze Aufsätze "übernimmt". Das Wort "Plagiat" (von "Plagiarius" = Menschenräuber oder Kinderräuber, jedenfalls in Anlehnung an den spätantiken römischen Epigrammatiker Martial) geißelt den Wortdiebstahl ja auch nicht erst seit gestern. Im digitalen Zeitalter ist es aber einfacher geworden: Suchmaschinen, drei bis fünf Substantive reichen, geschicktes Editieren und Polieren, man ist dabei. Das gezielte Vergessen des eigentlichen Autors hat auch schon einen Namen: Krypto-Amnesie. Seine größte Verbreitung hat es allerdings im nicht so seltenen Vergessen der eigentlichen Quellen im wissenschaftlichen Alltagsbetrieb.

Die wissenschaftliche Wiederverwertung eigener Gedanken (sofern es so etwas überhaupt gibt) nennt man Autoplagiat, zumeist um die notwendige Publikationsdichte aufzubauschen. Das geht bis zur intensiven Streuung von Selbst-Zitaten, um den impact factor zu erhöhen. Internet und Powerpoint sind jedenfalls hilfreich - aber auch riskant. Denn nicht nur die Konkurrenz schläft nicht und dokumentiert mit Genuss den Diebstahl, auch die Studenten sind inzwischen clever genug, "multimedialen Höchstleistungen" zu misstrauen und diese auf "plagiatorische Verdachtsmomente abzuklopfen", mit zum Teil erheblicher und für den Täter peinlich hoher Trefferquote. Da ist es schon günstiger, den Autor zu nennen und ihn dann aber wenigstens mit "erbsenzählerischer" Kritik in seine Schranken zu verweisen.

Schwieriger wird es bei jenen Professoren, die nach einer Art "jus primae noctis" nach früherer Gutsherrenart die Erstverwertung der Gedankenkinder ihrer Leibeigenen (DiplomandInnen, DoktorandInnen, HabilitandInnen) mehr oder weniger gnadenlos, meist aber doch fast schon professionell raffiniert verwerten. (Zur Erinnerung: das jus primae noctis war das früher übliche Recht auf die "erste Nacht" vor der Hochzeit einer leibeigenen Untertanin...)

Das krude Abschreiben hat aber durch die moderne Medien noch an Raffinesse gewonnen, vor allem wenn Bilder überzeugen sollen (Fotobearbeitungs-Software). Oder wer einer "bizarren Fremdsprache" mächtig ist, versucht es mit einem Übersetzungs-Plagiat (was immerhin eine Übersetzungsleistung aufweist). Kritisch wird es erst dann, wenn die dafür genutzten Übersetzungsprogramme mit spezifischen Begriffen nichts anfangen können und originelle, aber unbrauchbare Begriffe generieren.

Natürlich ist das Plagiat die wahrscheinlich aufrichtigste Form der Verehrung, wie die spöttische Definition von Alfred Polgar lautet. Leider kommt sie dem Opfer nicht zugute, es sei denn, er hat Goethes Satz verinnerlicht: "Wer kann was Gutes, kann was Schlechtes denken, was nicht die Vorwelt schon vor ihm gedacht".

* Der Campus-Knigge: Von Abschreiben bis Zweitgutachten. Verlag C. H. Beck, 2006 - verkürzte und modifizierte Auswahl

Bei allen Ausführungen handelt es sich um allgemeine Hinweise.
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