Alexa Franke, Annette Kämmerer (Hrsg.):
Klinische Psychologie der Frau
Hogrefe-Verlag für Psychologie, Göttingen 2001. 777 S., zahlreiche Abb. u. Tab. € 49,95. ISBN 3-8017-1333-4
Psychische Krankheit und Geschlecht ist heute kein Diskussions-Thema mehr, was zu kontroversen Auseinandersetzungen Anlass gibt. Die Frage lautet lediglich: Wo liegen die genetischen, biologischen, psychologischen und auch sozialen Variablen, die es zu beachten gilt. Denn nur wenige seelische Störungen sind geschlechtsspezifisch gleich verteilt (z. B. die Schizophrenien). Bei der Mehrzahl, vor allem den in der heutigen Zeit dominierenden Leiden (z. B. Angststörungen, Depressionen, Somatisierungsstörungen, früher funktionelle oder Befindlichkeitsstörungen genannt u.a.) ist das weibliche Geschlecht häufiger betroffen - zum Teil doppelt und mehr.
Auch Ausgestaltung und Verlauf sind oft unterschiedlich. Und damit natürlich auch die psychosozialen und sogar finanziell-wirtschaftlichen Langzeitfolgen (Letzteres ein nicht unwesentlicher Faktor in unserer Zeit, der immer mehr in Diagnose und vor allem Therapie einzugreifen droht).
Nun ist in letzter Zeit eine ganze Reihe entsprechender Bücher erschienen, jetzt ergänzt durch ein Lehrbuch der Klinischen Psychologie der Frau (herausgegeben von zwei Wissenschaftlerinnen und verfasst von fast ausschließlich weiblichen Autoren). Das Buch gliedert sich in vier Hauptteile: die Lebensspanne, psychische und psychosomatische Störung, Ressourcen-Belastungen und Vulnerabilitäten (Verwundbarkeiten im übertragenen, d. h. psychosozialen Sinne) sowie die psychosoziale Versorgung.
Die fast 800 Seiten, sauber gegliedert, zumeist gut verständlich (und bisweilen auch mit augenzwinkerndem Humor gewürzt), lassen praktisch keine Fragen offen. Mit einer Ausnahme, die auch im Geleitwort anklingt: Die Psychotherapie ist nicht der Schwerpunkt dieses Bandes, weshalb vermutlich ein zweiter Band oder in der nächsten Auflage eine entsprechende Erweiterung geplant ist.
Die Klinische Psychologie der Frau ist ein Fachbuch. In den psychiatrischen und psychologischen Fachbibliotheken wird sie sich unter die Standardwerke einreihen. Doch dürfte sich aber auch bald unter den niedergelassenen Psychiatern und psychotherapeutisch tätigen Psychologen, ja unter allen anderen medizinischen Disziplinen mit entsprechendem Diagnose- und Therapie-Schwerpunkt herumsprechen, dass man ohne dieses - nach dem bisherigen Stand umfassende - Werk kaum gezielt weiterkommen dürfte, will man hier wissenschaftlich und aus der Erfahrung des Praxisalltags fundiert unterstützt ein Thema in der Griff bekommen, das zwar so alt ist wie die Menschheit, aber bisher wohl nicht adäquat bewältigt wurde - und zwar sowohl in der Theorie wie in der Praxis des Alltags (ES).
„Die Beeinträchtigungen, die aus dem Ignorieren oder Übersehen der Geschlechtszugehörigkeit entstehen, sind für Frauen erheblich größer als für Männer, weil … zwar die Vorstellung vom geschlechtlich neutralen Untersuchungsobjekt besteht, diese Neutralität sich aber eher an impliziten männlichen Normen orientiert als an weiblichen„ (aus dem Vorwort der Herausgeberinnen). |
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