Prof. Dr. med. Volker Faust Psychosoziale Gesundheit von Angst bis Zwang Seelische Störungen erkennen, verstehen, verhindern, behandeln |
LACHEN IST DIE BESTE MEDIZINEinige ernste Worte zu einer heiteren Gemütsregung
„Lachen ist gesund“ und „Humor ist wenn man trotzdem lacht“. Wer kennt sie nicht, diese beiden wohl bekanntesten Sinnsprüche zu diesem Thema. Und doch: Wenn man sich über das Lachen gezielter informieren will, gerät man rasch in trockene Bereiche – besonders im deutschen Sprachraum bzw. durch die deutsche Mentalität. Der Deutsche ist humorlos – sagt man… Jeder weiß oder glaubt zu wissen: Der deutsche Humor hält sich in Grenzen. Die Heiterkeit der deutschen Wesensart sei beispielsweise mit englischem Humor oder südländischem Temperament in nichts zu vergleichen. Ausländer, die die deutsche „Seelenlandschaft“ studiert haben, behaupten mehrheitlich, der Deutschen wichtigste Redewendung lautet: „Spaß beiseite...“. Spaß beiseite, es ist was dran. Zwar verzieht sich nicht jeder, der einmal lachen will, gleich in den Keller, wie uns unterstellt wird, aber Humor, Heiterkeit und vor allem Lachen gehören nicht zu unseren Stärken, jedenfalls nicht im internationalen Vergleich, so sagt man. Und wer sagt das? Vor allem wir Deutschen selber. Beispiel:
Wer das nicht glaubt, der lese im Standardwissen einer jeden Nation nach, nämlich in den Zitaten, Redensarten, Aphorismen und Aussprüchen, die ja bekanntlich die Volksseele am besten treffen. Zwar stehen uns mehr als ein halbes hundert deutschsprachige Zitatenbücher zur Verfügung. Und über alles gibt es was zu lesen – nur nicht über das Lachen bzw. in der Tat erbärmlich wenig. Und das meiste macht einen auch nicht so recht froh. Das Lachen, die schönste und befreiendste menschliche Regung wird eher als verdächtig bis gefährlich eingestuft. Das betrifft allerdings nicht nur die deutsche Mentalität allein (siehe später). So heißt es beispielsweise: Die Hälfte der Menschen lacht auf Kosten der anderen Oder etwas anders ausgedrückt: Unter Humor verstehen die meisten Menschen das Gelächter über Dinge, die einem anderen zugestoßen sind (Curt Goetz, Schriftsteller und Theaterautor)
Oder noch negativer:
und so manches andere mehr. Die Mehrzahl dieser Sinnsprüche drängt also in Richtung: Vorsicht, wer lacht, führt etwas im Schilde, will Sie aufs Glatteis führen, oder hat zumindest keinen Grund bzw. lacht, obgleich es ihm elend zumute ist. Glücklicherweise gibt es auch einige positive Lach-Interpretationen aus dem Weisheitsschatz der Menschheit, insbesondere was einen der häufigsten Lach-Auslöser anbelangt, den Witz: Der Mensch ist ein lachendes Lebewesen (Spinoza, Philosoph)
Oder international:
Und einiges über Witze:
und anderes mehr. Humor und Lachen in der Geschichte Der Humor im Allgemeinen und das Lachen im Speziellen hat die Menschheit von jeher bewegt – so oder so. Nachfolgend deshalb eine kurz gefasste Übersicht (u.a. zitiert aus D. Thoma u. Mitarb., 2003, siehe weiterführende Literatur): Schon in der Antike schieden sich die Geister, was Humor im Allgemeinen und das Lachen im Speziellen anbelangt. So beschrieb der antike Dichter Homer beispielsweise das „unauslöschliche Gelächter der seligen Götter“, während der Philosoph Plato diese „Enthemmung“ mit dem Hinweis tadelte, hier würden die Himmelsbewohner ein schlechtes Vorbild abgeben. Auch die neuesten wissenschaftlichen Erkenntnisse über den therapeutischen Wert des Lachens sind natürlich so alt wie die Menschheit. Schon der antike Philosoph Demokrit propagierte nicht nur das seelische Gleichgewicht, sondern auch die Gemütsruhe: Ziel aller Erkenntnisse und Lebensweisheiten. Und hier vor allem die Fröhlichkeit und das Lachen. Deshalb galt er auch als „lachender Philosoph“. Und sein römischer Kollege Quintus Horatius Flaccus mahnte: Ein Scherz, ein lachend Wort entscheidet oft die größten Sachen treffender und besser als Ernst und Schärfe. Im Mittelalter aber verdüsterte sich wieder das Gemüt, was vor allem „von oben“ herabdiktiert wurde – besonders aus machtpolitischen Gründen. Das ging soweit, dass man das Lachen stellenweise als Sünde geißelte. Selbst Anfang des 20 Jahrhunderts stand es offenbar noch immer nicht hoch im Kurs. So liest man in Meyers Konversationslexikon von 1900 lediglich: Lachen ist eine eigentümliche Modifikation der Atembewegungen, bei der die Ausatmung in mehreren schnell hintereinander folgenden Stößen unter mehr oder weniger starkem Schall ausgeführt wird, während die Einatmung meist in einem kontinuierlichen, etwas beschleunigtem und tiefem Zug geschieht... Diese Bewegung ist stets mit einer Zusammenziehung der mimischen Gesichtsmuskeln verbunden, die im Wesentlichen auf eine Verbreiterung der Mundspalte und Hebung der Mundwinkel hinausläuft. Während der beiden Weltkriege, aber auch davor, dazwischen und danach war es den Betroffenen meist nicht zum Lachen. Oder eher ironisch, zynisch bis sarkastisch getönt (wie so manche bitteren Verse und Abhandlungen der Humoristen dieser Epoche belegen). Doch verlernt hat die Menschheit das Lachen nie, nicht einmal in der schweren Zeit der Diktatur und Tyrannei (siehe später). Neuere wissenschaftliche Erkenntnisse Inzwischen ist aber zweierlei klar: 1.Vorurteile halten sich lange, und hier vor allem dann, wenn die Betroffenen selber dazu beitragen. Die Deutschen sind ein solches Beispiel. 2.Der Humor ist nicht nur so alt wie die Menschheit, er hat auch – wie oben dargelegt – seine eigene Geschichte, entwickelt sich in diese oder jene Richtung. Der Humor ist aber auch ein Teil der jeweiligen gesellschaftlichen Struktur. Und deshalb kann man – zumindest heute – nicht mehr von den gleichen Voraussetzungen ausgehen, wie das vielleicht früher seine Berechtigung hatte. Nachfolgend deshalb eine kurz gefasste Übersicht zum Thema „Humor“ (und damit auch zum Lachen), wie es der österreichische Psychologie-Professor Willibald Ruch von der Universität Zürich in einem Interview zusammenfasste, das er als Präsident der Internationalen Gesellschaft für Humor-Studien und anhand eigener internationaler Studien gab (SZ Wissen 5 (2005) 57). Seine Schlussfolgerung: Die meisten Vorurteile treffen nicht (mehr) zu. Das betrifft vor allem Humor, Witze und Cartoons und ihre Folgen in Deutschland, Frankreich, Italien, England, Türkei, Israel und Amerika. So werden die Deutschen zwar als etwas „dumpfbackig“ angesehen, und schlucken diese Häme auch brav, doch die internationalen wissenschaftlichen Untersuchungen besagen etwas anderes, und zwar Überraschendes: Beispielsweise Nonsens-Humor (Mischwort aus dem Lateinischen und Englischen mit der direkten Übersetzung „Unsinn, dummes Zeug“) stammt ja eigentlich aus England. Am liebsten mögen ihn aber die Deutschen, und zwar mehr als die Briten selber. Heute ist Nonsens auch ein beliebtes Forschungs-Projekt im Rahmen von Humor-Studien. Hier lassen sich die jeweiligen Persönlichkeits-Merkmale am besten herausarbeiten. Das erwähnte nebenbei schon J. W. v. Goethe, als er sinngemäß bemerkte, dass der Mensch seinen Charakter durch nichts mehr preisgibt als durch das, was er lustig findet. Tatsächlich sind Menschen, die Nonsens mögen, generell eher offen für neue Erfahrungen, interessieren sich für Fremdes, denken komplexer und sind kreativer. Da dürfen sich die Deutschen freuen. Umgekehrt: Menschen, die Schotten- und Blondinen-Witze mögen, sind eher Schwarz-weiß-Denker, die im Leben Klarheit, Stabilität und Sicherheit bevorzugen und deshalb auch für law and order sind und eher konservativ wählen, so Professor W. Ruch. Auf jeden Fall sind die gängigen Vorurteile aus heutiger Sicht nicht mehr zu halten. Das hat auch die Wissenschaftler der beteiligten Nationen überrascht. Denn der Einwand, so etwas wie Humor könne man doch nicht exakt messen, stimmt ebenfalls nicht. Humor, so der Psychologe, kann man messen wie andere psychologische Faktoren auch. Allerdings ist es hier ein wenig komplizierter, gibt es doch verschiedene Komponenten von Humor, bei denen beispielsweise unterschiedlich intensiv logisches Denken, räumliches Vorstellungsvermögen, verbale und rechnerische Fähigkeiten, soziale und emotionale Intelligenz gefordert sind. Außerdem bestätigten die Wissenschaftler die alte Erkenntnis, die vielleicht schon jeder einmal in seinem Umfeld registriert hat: Menschen, die Humor mögen, sind nicht unbedingt dieselben, die auch Humor produzieren (können). Humoristen sind bekanntermaßen nur selten „Frohnaturen im Alltag“, im Gegenteil: Oft zu Resignation, Angst, ja Schwermut neigend. Nun gibt es aber Vorurteile, die so konkret sind, dass man sich einen Irrtum kaum vorstellen kann. Beispiel: Wie sieht es eigentlich mit Sex-Witzen aus? Die sind in anderen Nationen, zumindest in den untersuchten, statistisch auffällig häufiger als in Deutschland. Das hat nebenbei nicht unbedingt etwas mit der Einstellung zum Sex zu tun. Es ist offenbar vielmehr ein Bedürfnis nach Macht, bei denen auch Klischees (also die erwähnten Vorurteile, ja chauvinistischen Haltungen im Sinne von blindem, exzessivem Nationalismus) eine Rolle spielen. Die Sexualität allein ist also bei den meisten Sex-Witzen gar nicht so vordergründig. Umgekehrt können Nonsens-Sexwitze durchaus etwas mit Sex zu tun haben, aber eher in spielerischer Einstellung (was dann auch die Deutschen gerne haben – s. o.). Davon abgesehen sind die Deutschen – so Professor Ruch – nicht so humorlos, wie es im Ausland immer heißt und wie die Deutschen oftmals selber glauben. Nur sind die Regeln bei uns viel strenger, wann etwas witzig sein darf und wann nicht. In den USA und in England umfasst der Humor mehr Bereiche des Lebens als bei uns. Das ist beim Einkaufen schon die Norm, in durchaus ernsthaften Sitzungen nicht selten und selbst im Parlament nicht die Ausnahme. In Deutschland bleibt man da – überall – lieber ernst. Außerdem muss man natürlich das Alter berücksichtigen (siehe später). Jüngere Menschen zwischen 15 und 30 sind beispielsweise in England, den USA und Deutschland alle ungefähr gleich ernst oder humor-bereit. In der weiteren Entwicklung aber können sich da schon Unterschiede auftun. So nimmt eine „ernstere Geisteshaltung“ in Deutschland ab dem 40. Lebensjahr spürbar zu. Das kann sich aber auch in einer verstärkten schlechten Laune oder häufigen Miss-Stimmung äußern. US-Amerikaner dagegen sind beispielsweise in allen Altersklassen ziemlich gleich ernst oder humor-bereit. Das wäre nun wirklich etwas, an dem sie arbeiten müsste, die deutsche Mentalität. Lachen aus wissenschaftlicher Sicht Heute wird dem Lachen also wieder mehr Bedeutung zugewiesen, auch medizinisch gesehen. Was also sagt die medizinische Wissenschaft zum Lachen? Um es auf einen kurzen Nenner zu bringen: Die älteste Volksweisheit in dieser Hinsicht hat Recht: Lachen ist die beste Medizin. Wer lacht, lebt länger – und vor allem gesünder. Dabei sei – ausnahmsweise – ein kleiner Mediziner-Witz zur Einstimmung auf dieses Kapitel erlaubt: Wie alt sind Sie? 53 Jahre. Wenn Sie gesünder gelebt hätten, könnten Sie schon 63 sein! (G. Uhlenbruck, Chirurg und Schriftsteller). Vielen Menschen ist das Lachen aber vergangen. Manche haben es völlig verlernt. Sie mögen Recht haben, was ihre Gründe anbelangt – doch schädigen sie ihre Gesundheit und nutzen auch ihrer misslichen psychosozialen Situation damit wenig. Warum? Eine Minute Lachen ist so erfrischend wie 45 Minuten Entspannungstraining, sagen die Mediziner. Was der Volksmund schon lange weiß, haben jetzt die Wissenschaftlicher untermauert: Wer sich beim Lachen so richtig ausschüttelt, bewegt nicht nur die Mehrzahl der 21 Gesichts-Muskeln, nein, er kommt insgesamt auf bis zu 80 aktivierte Muskeln generell. Wo gibt es so etwas sonst? Für diese kurze Zeit gerät der Körper also in einen positiven Stress-Zustand, der unser Leben erfrischt und verlängert. Der entscheidende Lachmuskel, bei der Vielzahl der beteiligten Muskeln auch als „Führungsmuskel“ für das Lachen und Lächeln bezeichnet, ist übrigens nicht der Musculus risorius, auch wenn er vom Lateinischen risus = Lachen, Gelächter abgeleitet ist. Der entscheidende Muskel ist der Musculus zygomaticus major, der am Jochbein ansetzt und die Mundwinkel nach oben zieht, was das optisch sichtbare Lächeln oder Lachen auslöst. Wieder ein Beispiel dafür, dass diejenigen, die die Arbeit tun, nicht immer diejenigen sind, denen die dafür zuständige Ehrung zukommt. Hier greift nebenbei auch der physiognomische Alterungsprozess in die Lach-Mimik ein. Wir alle wissen, dass sich die Gesichtszüge im alternden Gesicht nach unten, der Schwerkraft folgend verlagern. Die Augenbrauen wandern über den oberen Augenhöhlenrand; bekannt sind die hängenden Oberlidfalten und die Tränensäcke; der Fettpfropf in den Wangen, der früher einmal für ein pausbackiges Gesicht sorgte, wird schließlich zu den „Hamsterbacken“; dazu die Halsfalten, despektierlich als „Truthahnhals“ bezeichnet. Und natürlich neben den Augen die wichtigste Lach-Region: die Mundpartie. Nicht nur dass sich die Mundwinkel „griesgrämig“ nach unten ziehen, auch die Lippen rollen sich regelrecht ein, das Lippenrot wird schmaler; es senken sich Ober- und Unterlippe und so ändert sich auch das volle Lachen: Bei jungen Menschen sieht man hier vorwiegend die oberen (und nur selten auch die unteren) Zahnreihen, beim älteren Menschen vorzugsweise nur noch die unteren. Kurz: Die jugendliche Frische schwindet; dafür tritt die Gelassenheit und Alters-Weisheit an ihre Stelle, auch mimisch – hoffentlich. Denn, wie heißt es doch so ernüchternd: Mit dem Alter kommt die Weisheit. Oft kommt das Alter auch allein… Was aber tut sich außerhalb des Gesichtes, im gesamten Organismus? Die medizinischen Fachleute sagen, es komme zu positiven muskulären Veränderungen im Bereich der Respiration, Vokalisation, Rumpf- und Extremitäten- sowie kardiovaskulären Muskulatur, zu Veränderungen in der exokrinen und endokrinen Sekretion sowie elektrokortikalen Aktivität. Oder auf Deutsch: Die Schultern zucken, der Brustkorb bebt und das Zwerchfell hüpft. Das Herz schlägt beim Lachen schneller, der Blutdruck steigt in gesundem Maße an und der Sauerstoff wird über die Atmung in die Lungen gepumpt. Und Sauerstoff in den Lungen heißt auch Sauerstoff im Gehirn, wo er besonders nötig ist, auch für die Stimmung. Freuden- bzw. Lach-Tränen sind übrigens biochemisch ganz anders zusammengesetzt als Tränen der Trauer und des Schmerzes. Nach dem Lachen beruhigt sich der Organismus wieder rasch – im Gegensatz zum Dis-Stress, der ungesunden Art des Stresses, der lange nachwirkt. Doch nach dem Lachen sind nicht nur die Stimmung und das Nervensystem stabilisiert, der ganze Organismus befindet sich im Ausgleich – wenn auch nur für kurze Zeit. Der Grund ist die vermehrte Ausschüttung von so genannten Katecholaminen, also jenen Botenstoffen im Zentralen Nervensystem, die auch für die Stimmungsstabilisierung verantwortlich sind. Und sogar die Endorphine melden sich vermehrt zu Wort, dass heißt körpereigene morphin-ähnliche Opiat-Verbindungen, die u. a. für die gute Laune zuständig sind (was sich beispielsweise auch durch körperliche Aktivität wie Walking oder Joggen kurzfristig nutzen lässt, Letzteres sogar bis zum riskanten „Jogger-High“). Und was zum Wichtigsten gehört, insbesondere in den grippe-belasteten Jahreszeiten: Das Immunsystem, das Abwehrsystem des Körpers wird gestärkt, und das heißt nicht nur erfolgreiche Infekt-Abwehr.
Tatsächlich haben humorvolle Menschen in der Regel ein stabileres Immunsystem als humorlose „Sauerampfer“, die nicht nur anderen auf die Nerven gehen, sondern sich auch selber krankheitsanfälliger machen. Selbst im Kampf gegen Viren und Bakterien ist Lachen eine wirkungsvolle Vorbeugung. Lachen – so die Wissenschaft – entspannt, lindert quälende und sogar chronische Schmerzen, senkt den erhöhten Blutdruck, sorgt für eine ruhigere, aber auch tiefere Atmung, regt die Verdauung an, bringt den Kreislauf in Schwung und fördert den nächtlichen Schlaf. Selbst bei Krebs, AIDS, Herzerkrankungen, Kopfschmerzen, ja sogar bei chronischer Angst und Depression hat sich Humor und damit Lachen als wirksames Rezept bewährt.
Dauer-Grinsen aber macht krank Im Gegensatz zum spontanen, befreienden, begründeten Lachen hat sich aber das beruflich verordnete Dauer-Lächeln oder gar -Lachen als psychisch riskant herausgestellt, so die Wissenschaftler, was aber nebenbei schon früher die meisten vermutet haben dürften. Gefährdet sind hier besonders Stewardessen (vor allem die Flugbegleiter auf Langstreckenflügen mit ihren spezifischen, nicht zuletzt körperlich bedingten Belastungen), ferner VerkäuferInnen, die MitarbeiterInnnen von Call-Centern u. a., von denen das zwanghafte Vortäuschen von Freundlichkeit verlangt wird („der Kunde ist König“). Denn immer dann, wenn man seine tatsächlichen Gefühle unterdrücken muss, hat das gesundheitliche Folgen. Freundlich-Sein wider Willen ist reiner Stress. Das leuchtet ein. Und wenn man das noch – vor allem beruflich bedingt - dauerhaft pro Tag und ein halbes Arbeits-Leben durchstehen muss, dann darf man sich über die entsprechenden Folgen nicht wundern. Mit anderen Worten: Heute besteht der erfahrene Arbeitgeber nicht mehr auf einem „kunden-freundlichen Dauer-Grinsen“, und ermöglichst wenigstens kurzfristige Auszeiten, um den „eingepanzerten Gefühlen“ wieder etwas freien Lauf lassen zu können. Ausbildungsstellen für therapeutisches Lachen Deshalb gibt es jetzt in immer mehr Kliniken in England und den USA, inzwischen auch ansatzweise bei uns Klinik-Clowns oder Medizin-Clowns für therapeutisches Lachen (was nebenbei eine ernsthafte und breite Ausbildung erfordert, denn Blödeln allein ist ja gerade in der Medizin meist nicht vertretbar, da muss man schon professioneller vorgehen). Einzelheiten siehe Kasten.
Psychologische Aspekte von Humor und Lachen Von der Not, die wir Deutsche mit Humor und Lachen haben sollen, war bereits eingangs die Rede. Dabei sollte man diese – allerdings wiederum typisch deutsche – „überkritische Nabelschau“ nicht gar so ernst nehmen. Es gibt in jeder Nation, in jedem Volk solche und solche. Freilich, die Art des Humors kann unterschiedlich sein. Aber damit ist noch lange keine Wertung verbunden. So wurde beispielsweise wissenschaftlich ermittelt, dass in verschiedenen Ländern ganz unterschiedliche Arten von Witzen geschätzt werden. Briten, Iren und Neuseeländer bevorzugen beispielsweise Witze mit Wortspielen, während Amerikaner und Kanadier gerne über Scherze lachen, die auf Kosten anderer gehen und diese dumm aussehen lassen. Weniger wählerisch sollen sich früher offenbar die Deutschen gegeben haben; sie finden scheinbar alles komisch (nach R. Wiseman, University of Hertfordshire, zit. nach D. Thoma u. Mitarb., 2003), wobei allerdings andere Untersucher inzwischen differenziertere Erkenntnisse gewinnen konnten (s. o.). Viel wichtiger – und das gilt für alle Nationen, Völker und Individuen – als die reine Unterhaltungsseite, von boshafter Schadenfreude einmal ganz abgesehen, ist die psychohygienische Komponente von Humor und Witz. Die Psychiater und Psychologen nennen so etwas kathartisch, also eine geistig-seelische Läuterung oder Reinigung von krankmachenden Affekten. Und hier sollen lediglich einige Zitate wiedergegeben werden, die diesen segensreichen Effekt am besten illustrieren: So sagte schon Friedrich Nietzsche (der berühmte Philosoph, der aufgrund seiner organisch bedingten Geisteskrankheit später nichts mehr zu lachen hatte, vielleicht deshalb sein ahnungsvoller Hinweis): Der Mensch leide so tief, dass er das Lachen erfinden musste. Oder der in puncto skurriler Humor unerreichte Dichter Joachim Ringelnatz: Humor ist der Knopf, der verhindert, dass uns der Kragen platzt. Und sein französischer Schriftsteller-Kollege J.-J. Sempé: Humor ist meine Waffe gegen alles Unerträgliche im Leben. Ja, lachen legt Bollwerke der Selbstsicherheit in Schutt, das Pathos der Selbstüberzeugung zerbricht, schreibt der Kunsthistoriker H. Lützeler. Lachen gehört einfach zur Entwicklungsstufe, mit der wir Menschen den Tieren intellektuell überlegen wurden, schreibt der Verhaltensforscher K. Lorenz. Und in der Tat, der Mensch ist bekanntlich das einzige Lebewesen, dass nachweisbar lachen kann (bei manchen Menschenaffen ist man sich da wissenschaftlich noch nicht so sicher). Deshalb spricht man ja auch von „tierischem Ernst“. Denn wenn wir beispielsweise einen Hund anlachen, dann kann das durchaus riskant werden, sollte er das für Zähneblecken halten, bemerkte mit Recht D. Thoma. Und derselbe: Wir lachen die Dinge tot, die uns krankmachen oder kränken. Letztlich lachen alle Menschen gern. Wer nichts zu lachen hat, ist arm dran. Womöglich wird er zum Außenseiter und ausgelacht. Der Mensch braucht das Lachen, nimmt ohne Lachen Schaden. Wer Humor hat, lässt sich beispielsweise schwer mobben. Der Angreifer hat keine Chance, taumelt ins Leere und gerät geradezu zu einer komischen Figur. Gesund, sagt der schon erwähnte Mediziner und Humor-Experte G. Uhlenbruck, ist eine humorvolle Einstellung zum Leben, die eine gewisse Gelassenheit voraussetzt. Leider wird das Lachen gerade dort immer weniger, wo es am notwendigsten wäre, nämlich mit fortschreitendem Alter. Vor allem die Erwachsenen gehen mit der kostenlosen und wirksamen Vorbeugungs- und Behandlungsmaßnahme Lachen immer zurückhaltender um – bis es völlig verstummt. Kinder bringen es am Tag auf rund 400 Lacher, wenn man Kichern, Wiehern, Grölen und andere Formen des „erweiterten Fröhlichseins“ zusammenzählt (Stiftung Kinderzentrum, Bochum). Wenn sie größer („volljährig“) werden, fällt die statistische Lachkurve steil ab. Erwachsene lachen durchschnittlich nur noch 15-mal am Tag – wenn überhaupt. Und wenn man es zeitlich zu fassen versucht, dann soll auch das noch in den letzten Jahrzehnten geschrumpft sein (Ende der 50er Jahre im Durchschnitt 18 Minuten, heute nur noch 6 Minuten pro Tag?). Es droht also im Laufe des Lebens ein Humor-, Heiterkeits- bzw. Lachdefizit – zu Lasten von Seele, Geist und Körper und damit nicht nur von Lebensqualität, sondern auch Leistungsfähigkeit. Man denke – nebenbei gesagt – nur an der Deutschen populärstes Gesellschaftsspiel, nämlich „Mensch ärgere Dich nicht“. Ob das allerdings für beide Geschlechter gleich gilt, ist umstritten. Frauen sollen nämlich doppelt so häufig lachen wie Männer (W. Dreher, zitiert nach D. Thoma u. Mitarb., 2003). Wenn das stimmt, wäre dies ein Beweis für die gesundheitsfördernde Wirkung des Lachens (siehe oben), denn Frauen leben im Schnitt 7 Jahre länger als Männer... Das scheint allerdings auch eine Frage der gesellschaftlichen Entwicklung und vor allem des jeweiligen Alters zu sein. Denn lautes, „offen-mundiges Lachen“ von Frauen galt ja lange als vulgär. Das wurde ja auch von den früheren Benimm-Büchern so gesehen bzw. so verurteilt. Heute lachen Frauen offensichtlich nicht nur häufiger, sondern auch ggf. lauter als Männer. Dabei ist ihr Lachen keinesfalls Ausdruck weiblicher Unsicherheit oder Schamhaftigkeit, wie das vielleicht früher so gedeutet wurde – zu Recht oder Unrecht. Nein, Frauen lachen nicht nur „befreiter“, sondern auch gezielter, um beispielsweise bestimmte Botschaften zu übermitteln. Ihr Lachen soll nicht nur zufälliger Ausdruck einer momentanen Laune sein, sondern auch die jeweilige Gesprächs-Beziehung ordnen. Auf jeden Fall wird das „große Frauen-Lachen“ zunehmend auch als Ausdruck selbstbewussten Auftretens gedeutet, wie es manche Experten interpretieren. Das aber ist – wie erwähnt – auch eine Frage des Alters. Denn Frauen über 60 scheinen in ihrer Körpersprache noch immer an traditionelle Wertvorstellungen gebunden zu sein und eine entsprechende Zurückhaltung an den Tag zu legen, d. h. weniger und auch weniger laut zu lachen. Gründe fürs Lachen oder nicht gibt es also viele. Einige liegen schon in der Erziehung: Warum verlernen viele von uns im Laufe des Lebens das Lachen? Die Psychologen verdächtigen die so genannte Sozialisation oder Sozialisierung, also auf Deutsch: die gesellschaftliche „Menschwerdung“ durch Erziehung und Prägung der Umwelt im weitesten Sinne (Stichwort: „Vergesellschaftung“, also das anpassende Hineinwachsen in die Normen der Gesellschaft). Und hier hat gerade das Lachen einen schweren Stand: Lachen gehört sich nicht, zumindest lautes und vor allem am falschen Ort. Das ist unanständig, vulgär, wirkt ungebildet und ist höchstens etwas für die „gewöhnlichen Leute auf der Straße“. Und dann gibt es noch Bereiche, in denen Lachen – zumindest bei uns in Deutschland – nicht durchdringen darf oder gar verpönt ist: In Kirchen, Kliniken und Altenheimen mag es noch angehen, in Behörden, Instituten und Schulen aber ist der verordnete Griesgram schon ärgerlicher (obgleich dies in der Regel vom Chef, vom Vorgesetzten abhängt, denn hat der Humor, ist auch die Atmosphäre gleich entspannter – und nebenbei leistungsfähiger). Auf wissenschaftlichen und sonstigen Fach-Veranstaltungen darf in der Regel auch nicht gelacht werden (da halten sich sogar Vorsitzende mit sonst heiterer Wesensart zurück). Wer lacht, wirkt unseriös, nicht ernst zu nehmen, verspielt durch Albernheit seinen wissenschaftlichen Kredit. Dabei dürfte es gerade den Intellektuellen gut anstehen, sich immer wieder einmal folgende Lebensweisheiten in Erinnerung zu rufen:
Auch in der Behandlung kranker Menschen sollte nicht gelacht werden. Sogar dort, wo Lachen die Seele aufheitern könnte, in der Psychotherapie. Selbst wenn die Situation einmal zum Lachen oder zumindest Schmunzeln Anlass geben könnte, gleichsam psychohygienisch nutzbringend, darf höchstens lautlos in sich hinein gelacht werden, wird alles „therapeutisch verernstet“, wie die köstliche, aber auch treffende Kritik lautet (und zwar aus den eigenen Psychotherapeuten-Reihen, wenn auch nur hinter vorgehaltener Hand). Deshalb wird inzwischen auch – wenngleich nur im engsten Zirkel oder verklausuliert – zugestanden: Eine Psychotherapie, in der nie gelacht oder zumindest gelächelt wurde, wird wohl nicht sehr erfolgreich sein (aus R. D. Hirsch u. Mitarb., 2001). Im Übrigen wird immer wieder wissenschaftlich der alten Frage nachgegangen: Vermittelt die individuelle Lach-Bereitschaft (wie, wann und worüber) objektivierbare Rückschlüsse auf die jeweilige Persönlichkeitsstruktur? Dazu nachfolgender Kasten, der eine neuere psychologische Untersuchung zitiert:
Lachen als Krankheit? Dass Lachen ernsthaft krank machen kann, wurde bisher nicht bewiesen. Es gibt allerdings neben einigen fernöstlichen „Lach-Krankheiten“ (z. B. Latah und Kuru-Kuru) auch ein seltenes neurologisches Leiden, die Narkolepsie (Einzelheiten siehe das spezielle Kapitel), bei der sogar ein „Lachschlag“ droht, eine plötzliche Muskelschwäche durch unkontrollierbares Lachen („es lacht immer weiter“). Aber totgelacht hat sich noch keiner, auch wenn das zu unserem täglichen Wortschatz gehört. Wenn der Leidensdruck den Humor versiegen lässt Belastend für die Betroffenen, diagnostisch wegweisend für den Arzt und interessant für die Allgemeinheit ist allerdings die Erkenntnis, dass man seinen Humor und damit seine Lach-Bereitschaft krankheitsbedingt verlieren kann – wenngleich glücklicherweise meist nur vorübergehend. Humor und die gnadenreiche Fähigkeit zum Lachen ist vor allem eine Frage der Anlage und damit Vererbung. Wenn man fröhliche Menschen fragt, woher sie diese beneidenswerte Gabe haben, dann erinnern sie sich in der Regel an einen nahen Verwandten (meist Eltern, Großeltern oder deren Geschwister), der ebenfalls ein heiteres Gemüt gehabt habe. Natürlich gibt es auch den Gegenpol: Menschen, die eher düster, ständig missgestimmt und nörgelig daherkommen – und darunter zu leiden haben, denn wer mag mit solch belastenden Zeitgenossen dauernd Kontakt haben. Aber auch die glücklicher Gestellten können einmal ihren Humor verlieren, krankheitsbedingt. Das findet sich vor allem bei körperlichen Leiden und hier insbesondere langfristigen Beeinträchtigungen (man denke nur an chronische Schmerzbilder). Das Gleiche gilt für seelische Störungen ohne körperliche oder psychosoziale Ursachen, manchmal aus „heiterem Himmel“ und dann besonders schwer nachvollziehbar, verstehbar und damit tolerierbar. Dazu gehören z. B. die Depressionen, die selbst einem sonnigen Gemüt die Stimmung langsam oder sogar über Nacht verdüstern können, bis hin zur Lebensmüdigkeit und Gefahr, Hand an sich zu legen. Solchen Menschen ist dann oftmals nicht einmal mehr klar, dass sie früher zu den Froh-Naturen, ja Stimmungskanonen zählten (was nebenbei für viele Depressive geradezu typisch ist: in gesunden Tagen überwiegend lebensfroh). Der Gegenpol der depressiven Seelenfinsternis, oft bei ein und demselben Betroffenen hintereinander, ist die manische Hochstimmung, bei der die Patienten (die sich aber gar nicht als krank einstufen) eine geradezu ansteckende Heiterkeit entwickeln, auch wenn sie immer häufiger „über die Stränge schlagen“ (Einzelheiten siehe die verschiedenen Kapitel über Depressionen und Manie). Während man eine beginnende Depression in der Regel zwar erstaunlich spät, letztlich aber doch relativ sicher zu erkennen vermag und damit auch die Erklärung für das ungewöhnliche Stimmungstief und „verlorene Lachen“ hat (obgleich es in seltenen Fällen auch eine „lachende oder zumindest lächelnde Depression“ gibt), ist das bei schizophrenen Psychosen oder schizophrenie-nahen Erkrankungen schon komplizierter. Letztere sind ohnehin ein Kapitel für sich und sollen hier nicht weiter erläutert werden (Fachbegriffe: schizoide, paranoide und schizotypische Persönlichkeitsstörungen). Patienten mit einer schizophrenen Psychose aber können – entgegen dem irrtümlichen Meinungsbild – den größten Teil ihres Lebens völlig unauffällig sein, geraten aber auch mal mehr oder weniger plötzlich in einen „psychotischen Sog“, gegen den sie ohne fremde (vor allem medikamentöse) Hilfe nichts ausrichten können und der sich besonders im Vorfeld des Leidens in einigen Besonderheiten von Stimmung und Wesensart äußern kann. Solche Vorposten- und damit Warn-Symptome sind beispielsweise neben zunehmender ängstlicher Unruhe, Spannung und Nervosität, neben Schlaflosigkeit, Merk- und Konzentrationsstörungen und unklaren körperlichen Beeinträchtigungen vor allem eine wachsende Freudlosigkeit, Empfindlichkeit und Humorlosigkeit (!), selbst bei ansonsten heiterer Wesensart. Dabei legen die Betreffenden plötzlich jedes Wort auf die Goldwaage und werden dadurch immer reizbarer, mitunter geradezu aggressiv bis feindselig. Damit legt diese mehr oder weniger unerwartete Humorlosigkeit nicht nur jeden normalen zwischenmenschlichen Kontakt lahm (Rückzug der anderen und damit Isolationsgefahr für den noch nicht als krank Erkannten), sie beweist auch den biologischen Hintergrund von Freude und Trauer, Humor und Humorlosigkeit. (Wobei diese Erkenntnis auch durch die Wirkung bestimmter Rauschdrogen untermauert wird, bei denen beispielsweise plötzlich regelrechte Lach-Orgien, aber auch depressive Angstreaktionen ausbrechen können – rein biochemisch gesteuert.) Einzelheiten zur schizophrenen Psychose, wahnhaften Störung, zu schizoiden, paranoiden und schizotypen Persönlichkeitsstörungen siehe die entsprechenden Kapitel. Lachen – immer Ausdruck von Humor? Nun ist auch das „gesunde“ Lachen nicht immer eine fröhliche Angelegenheit, jeder weiß es. Im Gegenteil, die Aufzählung der verschiedenen Lach-Variationen zeigt einen eher negativen Schwerpunkt. So gibt es sicher das befreiende Lachen, die wohl schönste Form des Lachens, auch wenn es einmal grenzwertig impulsiv ausfallen sollte. Aber auch das verlegene oder gar verzweifelte Lachen. Oder das obszöne, wenn nicht gar aggressive Lachen. Und schließlich das skeptische, blasierte, ironische, sarkastische oder zynische Lachen. Die Mehrzahl des humor-gesteuerten Lachens oder Lächelns im Alltag soll eher auf Beschämung, Erniedrigung oder Kleinmachen der anderen aus sein, vor allem wenn es sich um so genannte Humor-Sendungen handelt, wie sie immer mehr im Fernsehen entgleisen, und zwar nicht zuletzt deshalb, weil die Schadenfreude immer noch die häufigste Freude ist und wohl auch bleibt. Dabei kann doch jeder das bekannte Sprichwort bestätigen: „Schadenfreude ist die Freude, die durch Schaden nicht klug wird“ (H. Walters). Und doch kann auch die Schadenfreude – in Maßen praktiziert – etwas Befreiendes haben. Man denke nur an die Verse und Bildgeschichten des unerreichten Humoristen Wilhelm Busch, der allerdings auch einen moralischen Hintergrund nicht verkannt haben will: „Was man ernst meint, sagt man am besten im Spaß“. Tatsächlich ist der Erfolg damit am ehesten garantiert, wie die Sprachwissenschaftler bestätigen: Je unklarer die Grenze zwischen Spaß und Ernst ist, desto größer ist der humoristische Effekt (Helga Kotthoff, zitiert nach D. Thoma u. Mitarb., 2003). Aber auch das befreiende, vor allem heimlich befreiende Lachen kann seine dunklen Seiten haben. So weiß man – und die ältere Generation kann sich noch daran erinnern –, dass Lachen verdächtigt sein und im Extremfall sogar bestraft werden kann, insbesondere in Gesellschaftssystemen, in denen ein diktatorisches Regime herrscht. Dort wird dann auch das Lachen gezielt unterbunden. Gerne gelesen wurden beispielsweise nach Ende des Zweiten Weltkriegs und nationalsozialistischem Terrors Bücher wie „Der Flüsterwitz im 3. Reich“. Nur hinter vorgehaltener Hand konnte man sich mit etwas Humor von der drückenden Last der Bespitzelung und „Gleichschaltung“ befreien. Denn Lachen ist ein demokratischer Vorgang. Schon der römische Schriftsteller Tacitus schrieb: Herrscht das Volk, regiert die Rede, herrscht Despotismus, dann regiert der Trommelwirbel. Und so ist es und war es beispielsweise auch beim staatlich verordneten Lachen im III. Reich. Dort erhielt das Lachen eine neue Funktion. Dort zielten die Führer auf ein brüllendes Gelächter, das vernichten sollte. Bösartiges Gelächter als gefährliche Waffe. Die anderen sollten nichts mehr zu lachen haben. Das befreiende und damit entwaffnete Lachen hingegen war verboten – bei hoher Strafe. Aber nicht nur in Diktaturen ist Lachen riskant, auch in so manchen, vor allem streng hierarchisch strukturierten Organisationen wird Lachen ungern gesehen, ja direkt oder zumindest indirekt mit Strafe belegt („Ihnen fehlt wohl der notwendige Ernst zur Sache“). Lachen kann eben auch gefährlich sein. Wie sagte schon der Dichter und Autor zahlreicher Theaterstücke Berthold Brecht: „In einem Land leben, wo es keinen Humor gibt, ist es unerträglich, aber noch unerträglicher ist es in einem Land, wo man Humor braucht“. Und Professor Dr. Sigmund Freud, der Vater der Psychoanalyse erkannte den Humor als eine Bewegung des Widerstands, aber nicht nur im psychodynamischen Sinne als so genannter Abwehrmechanismus der Seele, sondern als realen Widerstand gegen offene Unterdrückung. Oder als moderne (psychotherapeutische) Erkenntnis: „Wenn der Humor verschwindet, verbreitet sich Barbarei“. Schlussfolgerung Glücklicherweise gibt es einige Zitate, mit denen man auch einen nachdenklichen Beitrag befriedigend abschließen kann. Dazu gehören: Der Verhaltensforscher Konrad Lorenz, der so treffend mahnte: Aber ich glaube, ... dass wir heute den Humor noch immer nicht ernst genug nehmen. Und der Dichter Wilhelm Raabe noch sorgenvoller: Man spricht viel zu leichtfertig vom Lachen in der Welt; ich halte es für eine der ernsthaftesten Angelegenheiten der Menschheit. Und an anderer Stelle: Gott sei Dank, dass der Spaß nicht totzukriegen ist in dieser mürrischen Welt. Dies gilt vor allem für die Medizin, bei der sich langsam herumspricht, dass die Beschäftigung mit dem Lachen in der Heilkunde nicht mehr nur lächerlich, sondern nutzbar gemacht werden soll. Denn die Medizin wird technisch perfektioniert, aber zwischenmenschlich ausgetrocknet. Dabei ist und bleibt – wie der Volksmund sagt – das Lachen die kürzeste Verbindung zwischen zwei Menschen. Doch es benötigt – wie stets – erst einige „Querdenker“, um hier etwas Bewegung in die verkrustete Gemüts-Landschaft zu bringen. Oder wie der Schriftsteller George Bernard Shaw meinte:
Weiterführende Literatur Berger, P. L.: Erlösendes Lachen. Das Komische in der menschlichen Erfahrung. Verlag Walter de Gruyter, Berlin 1998 Bernhardt, J.A.: Humor in der Psychiatrie. Beltz-Verlag, Weinheim 1985 Best, O.F.: Volk ohne Witz. Über ein deutsches Defizit. Fischer-Verlag, Frankfurt 1993 Bönsch-Kauke, M.: Psychologie des Kinderhumors. Verlag Leske & Budrich, Opladen 2003 Fischer-Fabian, S.: Lachen ohne Grenzen. Der Humor der Europäer. Lübbe-Verlag, Bergisch-Gladbach 1992 Fischer-Fabian, S.: Vergesst das Lachen nicht. Der Humor der Deutschen. Verlag Droemer-Knaur, München 1992 Freud, S.: Der Humor. GW XIV, Fischer-Verlag, Frankfurt 1968 Freud, S.: Der Witz und seine Beziehung zum Unbewussten. Fischer-Verlag, Frankfurt 1992 Frings, W.: Humor in der Psychoanalyse. Eine Einführung in die Möglichkeiten humorvoller Intervention. Kohlhammer-Verlag, Stuttgart 1996 Grotjan, M: Vom Sinn des Lachens. Kindler-Verlag, München 1974 Hirsch, R.D. u. Mitarb. (Hrsg.): Heiterkeit und Humor im Alter. Schriftenreihe der DGGPP, Band 2. Chudeck-Druck, Bornheim-Sechtem 2001 Hüttinger, S.: Die Kunst des Lachens – das Lachen der Kunst. Peter Lang-Verlag, Frankfurt 1996 Jaffin, D.: Humor in der Bibel. Liebenzeller Mission, Liebenzell 1998 Kamper, D., Ch. Wulf (Hrsg.): Lachen – Gelächter – Lächeln. Syndikat-Verlag, Frankfurt 1986 Kotthoff, H.: Das Gelächter der Geschlechter. Universitätsverlag, Konstanz 1996 Kuhlmann, W., L. Röhrich (Hrsg.): Witz, Humor und Komik im Volksmärchen. Röth-Verlag, Rottmersleben 1993 Kundera, M.: Das Buch vom Lachen und vom Vergessen. Suhrkamp-Verlag, Frankfurt 1994 Lanfranchi, C. (Hrsg.): Dimitri: Humor. Gespräche über die Komik, das Lachen und den Narren. Verlag am Goetheanum, Aarau 1997 Lentz M, D. Thoma, C. Howland, P. Jamin: Ganz Deutschland lacht! Fünfzig deutsche Jahre im Spiegel ihrer Witze. Deutscher Taschenbuch Verlag, München 1999 Mandzel, W.: Lesen und Lachen. St. Johannis-Druckerei, Lahr 1998 Merziger, B. M.: Das Lachen der Frauen im Gespräch über Shopping und Sexualität. Dissertation an der Freien Universität Berlin, Berlin 2005 Moody, R.: Lachen und Leiden. Rowohlt-Verlag, Reinbeck 1979 Ohm, D.: Lachen, Lieben, länger leben. Trias-Verlag, Stuttgart 1997 Robinson, V.M.: Praxishandbuch Therapeutischer Humor. Ullstein-Medical, Wiesbaden 1999 (hier auch umfangreiches Literaturverzeichnis, und zwar sowohl englischsprachig als auch deutsch) Ronner, M.M.: Neue treffende Pointen. Ott-Verlag, Thur 1978 Rubinstein, H.: Die Heilkraft Lachen. Kallwag-Verlag, Bern 1985 Sornig, K.: Gesprächstyp Blödeln. In: E. Weigand u. Mitarb. (Hrsg.): Dialoganalyse II. Bd. 1. Niemeyer-Verlag, Tübingen 1988 Steiner, R.: Die Ausdrucksfähigkeit des Menschen in Sprache, Lachen und Weinen. Rudolph Steiner-Verlag, Dornach 1979 Titze, M., C.T. Eschenröder: Therapeutischer Humor. Fischer-Verlag, Frankfurt 1998 Titze, M: Heilkraft des Humors. Herder-Verlag, Freiburg 1985 Titze, M: Die heilende Kraft des Lachens. Kösel-Verlag, München 1985 Thoma D., C. Howland, P. Jamin: Kennen Sie den ...? Die Lieblingswitze der Deutschen. Deutscher Taschenbuch Verlag, München 2003 Vogel, Th. (Hrsg.): Vom Lachen. Attempto-Verlag, Tübingen 1992 Wiener, R.: Der lachende Schopenhauer. Militzke-Verlag, Leipzig 1996 Wippich, J., I. Derra-Wippich: Lachen lernen. Jonfermann-Verlag, Göttingen 1986 Zijderveld, A.: Humor und Gesellschaft. Styria-Verlag, Graz 1976 Zöpfel, H., H. Wittmann: Humor und Freude in der Schule. Auer-Verlag, Donauwörth 1990 |
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Bei allen Ausführungen handelt es sich um allgemeine Hinweise. |